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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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Tante zählte schon 80 Jahre und war von so weit her gekommen, nur um sie kennenzulernen. Tante Mary ein besonderes Gericht vorzusetzen war das mindeste, was sie einer so reizenden alten Dame und noch mehr John schuldete, wenn sie ihnen auch nichts weiter bieten konnte als die Nachricht, daß sie John nicht heiraten würde. Sie fühlte sich vollkommen leer, wie ein Teller, auf dem von einem vorzüglichen Kuchen nur noch ein paar Krümel übrig waren. Sie kramte nach Lebensmitteln in der Speisekammer, doch diese glänzten durch Abwesenheit, alles war bis auf den letzten Rest verbraucht. Gertrudis' Besuch auf der Farm hatte sie die gesamten Vorräte gekostet. Im Getreideschuppen blieb außer etwas Mais, um leckere Tortillas zu backen, nichts weiter als Reis und Bohnen. Doch mit etwas gutem Willen und viel Phantasie würde sie bestimmt noch ein akzeptables Essen herbeizaubern. Mit einem Menü aus Reis, Gemüsebananen und Bohnen nach Art von Tezcucana würde sie gar nicht so schlecht dastehen.
    Da die Bohnen nicht so frisch waren wie üblich, rechnete Tita mit einer längeren Garzeit und stellte sie deshalb schon frühmorgens aufs Feuer. Während sie kochten, begab Tita sich daran, die Ancho-Pfefferschoten zu säubern.
    Sind die Zwischenwände herausgetrennt, weicht man sie in heißem Wasser ein und zerdrückt sie schließlich.
    Sobald Tita die Pfefferschoten eingeweicht hatte, bereitete sie Pedro das Frühstück und brachte es ihm auf sein Zimmer.
    Inzwischen hatte er sich in bemerkenswerter Weise von seinen Verbrennungen erholt. Keinen Moment hatte Tita aufgehört, ihm Tepezcohuite-Rinde aufzulegen, und so verhindert, daß Pedro Narben zurückbehielt. John hatte diese Behandlung rundum gebilligt. Zufälligerweise war er schon seit geraumer Zeit dabei, die Versuche mit jener Rinde, die seine Großmutter »Morgenlicht« begonnen hatte, fortzuführen. Pedro erwartete Tita bereits ungeduldig. Abgesehen von den köstlichen Mahlzeiten, die sie ihm täglich brachte, spielte noch ein anderer Grund eine wesentliche Rolle bei seiner erstaunlichen Genesung: die Unterhaltungen mit Tita nach dem Essen. An diesem Morgen hatte Tita freilich keine Zeit für ihn, da ihr das Menü für John perfekt gelingen sollte. Von quälender Eifersucht getrieben, bemerkte er zu Tita:
    »Statt ihn zum Essen einzuladen, solltest du ihn lieber ein für allemal wissen lassen, daß du ihn nicht zum Mann nehmen wirst, weil du nämlich ein Kind von mir erwartest.«
    »Das kann ich ihm nicht sagen, Pedro.«
    »Was? Fürchtest du etwa, du könntest das Doktorchen verletzen?«
    »Nicht, daß ich Angst hätte, aber es wäre doch sehr undankbar. John auf diese Weise all das zu vergelten, was er für mich getan hat, ich muß schon einen geeigneten Moment abwarten, um ihm das zu eröffnen.«
    »Wenn es nicht bald geschieht, tu ich es höchstpersönlich.«
    »Nein, du wirst ihm gar nichts sagen; erstens, weil ich es nicht zulasse, und zweitens, weil ich überhaupt nicht schwanger bin.«
    »Wie bitte? Was sagst du da?«
    »Was ich für eine Schwangerschaft hielt, war nur eine Unregelmäßigkeit, aber jetzt hat sich alles wieder normalisiert.«
    »Aha, das ist es also. Nun fange ich endlich an zu begreifen, was mit dir los ist. In Wirklichkeit willst du nicht mit John reden, weil du dir gar nicht so sicher bist, ob du überhaupt bei mir bleiben oder vielleicht doch lieber ihn heiraten sollst, ist es nicht so? Jetzt, wo ich krank bin, bist du auf einen armen Teufel wie mich nicht mehr angewiesen!«
    Tita konnte Pedros Reaktion beim besten Willen nicht verstehen: Er wirkte wie ein störrischer kleiner Junge. So wie er redete, hätte man tatsächlich meinen mögen, er würde für den Rest seiner Tage krank bleiben, doch ganz so schlimm war es ja nun auch nicht: In kürzester Zeit würde er wieder völlig der alte sein. Zweifellos hatte der Unfall seinen Verstand getrübt. Vielleicht waren seine Sinne noch ganz vom Rauch seines brennenden Körpers vernebelt, denn nicht anders als der Geruch von angebranntem Brot das ganze Haus mit seinem unangenehmen Geruch durchzieht, erfüllten jene finsteren Gedanken sein Hirn, vergifteten seine sonst so sanften Worte und machten sie unerträglich. Sie konnte einfach nicht fassen, daß er an ihr zweifelte, ja drauf und dran war, genau das Gegenteil seines sonst so tugendhaften Wesens im Umgang mit anderen hervorzukehren, indem er derart aus der Rolle fiel.
    Völlig verärgert verließ sie sein Zimmer, und bevor sie die Tür schloß,

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