Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
brüllte er ihr noch nach, sie solle sich nur ja nicht unterstehen, ihm noch einmal das Essen zu bringen, und lieber Chencha damit beauftragen, damit sie auch genug Zeit habe, um sich ungestört mit John zu treffen.
Wütend betrat Tita die Küche, um zu frühstücken, was sie nicht eher getan hatte, weil ihre erste Sorge stets Pedros Wohlergehen galt und dann erst ihren täglichen Pflichten, doch wozu das alles? Etwa damit Pedro, statt es ihr zu danken, so reagierte wie gerade eben, sie in Wort und Tat beleidigte? Am Ende hatte sich Pedro doch wahrhaftig in ein vor Egoismus und Eifersucht strotzendes Ungeheuer verwandelt!
Sie machte einige Chilaquiles zurecht und ließ sich am Küchentisch nieder, um sie zu verzehren. Zwar frühstückte sie nicht gerne allein, doch in der letzten Zeit hatte sie ja keine andere Wahl, da Pedro sich nicht aus dem Bett erheben konnte, Rosaura nicht aus ihrem Zimmer herauskam, in dem sie sich verbarrikadiert hatte, und jegliche Nahrungsaufnahme verweigerte und Chencha schließlich nach der Geburt ihres ersten Kindes einige Tage Urlaub genommen hatte.
Unter solchen Umständen schmeckten ihr die Chilaquiles lange nicht so gut wie sonst: Es fehlte einfach die Gesellschaft. Da vernahm sie plötzlich Schritte. Die Küchentür öffnete sich, und im Türrahmen erschien Rosaura.
Tita war baß erstaunt, sie zu sehen. Rosaura war wieder so schlank wie vor ihrer Hochzeit. Und das bei nur einer Woche Fasten! Es schien unglaublich, daß sie in nur sieben Tagen an die 30 kg verloren haben sollte, doch genauso war es. Ganz Ähnliches hatte sich ereignet, als sie nach San Antonio gezogen waren: In Null Komma nichts hatte sie abgenommen, allerdings war sie noch nicht ganz wieder daheim gewesen, und schon hatte sie wieder begonnen anzusetzen!
Hoch erhobenen Hauptes stolzierte Rosaura herein und setzte sich Tita gegenüber. Die Stunde der Aussprache mit ihrer Schwester war wohl gekommen, doch nicht Tita würde den Disput beginnen. Sie zog den Teller näher heran, nahm einen Schluck Kaffee und begann sorgsam die Ränder der Tortillas, die sie für die Zubereitung der Chilaquiles gebraucht hatte, in winzige Stücke zu zerkrümeln.
Sie waren gewohnt, von allen Tortillas, die sie aßen, immer die Ränder zu entfernen, um sie den Hühnern vorzuwerfen. Zum gleichen Zweck zerkleinerten sie das Brotinnere. Tita und Rosaura blickten sich unverwandt in die Augen und rührten sich nicht eher, als bis Rosaura die Diskussion eröffnete:
»Ich glaube, wir haben etwas miteinander zu bereden, meinst du nicht?«
»Doch, doch, das meine ich durchaus. Und ich glaube, schon seit du meinen Bräutigam zum Mann genommen hast.«
»Also gut, wenn du willst, fangen wir an dem Punkt an. Daß du überhaupt einen Bräutigam hattest, war widerrechtlich. Er stand dir nicht zu.«
»Wer bestimmt das? Mama oder du?«
»Die Familientradition, gegen die du verstoßen hattest.«
»Und gegen die ich noch so oft verstoßen werde, wie es nötig ist, solange diese verfluchte Tradition mich benachteiligt. Ich hatte das gleiche Recht wie du, eine Ehe einzugehen, du hingegen warst im Unrecht, als du dich zwischen zwei Personen drängtest, die sich von ganzem Herzen liebten.«
»Ganz so aufrichtig ja wohl nicht. Du siehst doch, wie schnell Pedro dich bei der erstbesten Gelegenheit für mich im Stich gelassen hat. Ich habe ihn geheiratet, weil er es so wünschte. Und besäßest du auch nur ein bißchen Stolz, hättest du ihn ein für allemal vergessen.«
»Also nur zu deiner Information: Er hat dich allein deshalb geheiratet, um in meiner Nähe zu bleiben. Dich hat er nie geliebt, und das wußtest du im übrigen sehr genau.«
»Hör zu, besser reden wir nicht mehr von der Vergangenheit, mir sind Pedros Gründe, mich zu heiraten, auch herzlich egal. Er hat es getan, punktum. Und ich werde nicht weiter dulden, daß ihr mich beide verschaukelt, hast du verstanden? Da spiele ich nicht mit.«
»Niemand will dich verschaukeln, Rosaura, du hast aber auch überhaupt nichts kapiert.«
»Ach nein! Verstehe ich etwa falsch, was für ein Spiel ihr mir zumutet, wenn alle auf der Farm dich an Pedros Seite heulen und verliebt seine Hand halten sehen? Weißt du, wie man das nennt? Jemanden zum Gespött der Leute machen! Na wirklich, da kennst du ja nichts! Und eines kannst du mir glauben: Von mir aus könnt ihr, du und Pedro, mit euren Heimlichtuereien in dunklen Ecken zur Hölle fahren. Mehr noch, von nun an könnt ihr es treiben, sooft ihr nur
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