Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
wollt. Solange niemand etwas mitbekommt, ist es mir schnurzegal, denn Pedro wird es sowieso treiben müssen, mit wem er will, was mich nämlich betrifft, so wird er mich beileibe nicht mehr anrühren. Ich meinerseits habe meinen Stolz! Soll er sich doch so eine suchen wie dich für seine Schweinereien. Doch das eine sage ich dir, in diesem Haus bin und bleibe ich seine Frau. Und ebenso in den Augen der Öffentlichkeit. Denn den Tag, an dem euch irgend jemand zusammen ertappt und ihr mich erneut lächerlich macht, den werdet ihr verfluchen, das schwöre ich dir.«
Rosauras Schimpfen ging allmählich im vorwurfsvollen Geschrei Esperanzas unter. Seit geraumer Zeit weinte sie schon, ihr Schluchzen hatte sich allmählich gesteigert, bis es schließlich unerträgliche Ausmaße annahm. Sicher verlangte sie, daß man sie fütterte. Langsam erhob sich Rosaura und sagte:
»Ich werde meine Tochter füttern. Von jetzt an erlaube ich nicht mehr, daß du das machst, du könntest sie ja noch mit deinem Dreck beschmutzen. Von dir würde sie nur ein schlechtes Beispiel und ebensolche Ratschläge erhalten.«
»Da kannst du allerdings Gift drauf nehmen. Ich werde nicht mitansehen, wie du deine Tochter mit den Ideen verdirbst, die du in deinem krankhaften Hirn ausheckst. Und noch viel weniger werde ich untätig zusehen, wie du ihr das Leben ruinierst mit der Verpflichtung, eine unsinnige Tradition zu befolgen!«
»Ach, was du nicht sagst. Und wie willst du das verhindern? Sicherlich bildest du dir noch ein, ich würde dich weiterhin in ihrer Nähe lassen, aber denk mal an, meine Liebe, da hast du dich gründlich getäuscht. Hast du etwa jemals gesehen, daß man einer von der Straße den Umgang mit Mädchen aus anständigem Hause gestattet?«
»Sag bloß, du glaubst im Ernst, unsere Familie sei anständig!«
»Meine kleine Familie ist es sehr wohl. Und damit sie es auch weiterhin bleibt, verbiete ich dir den weiteren Umgang mit meiner Tochter, oder ich werde mich leider genötigt sehen, dich hier aus dem Haus zu werfen, das Mama immerhin mir vererbt hat. Ist das klar?«
Mit dem Brei, den Tita gemacht hatte, verließ Rosaura sodann die Küche, um Esperanza zu füttern. Sie hätte Tita nichts Schlimmeres antun können. Rosaura verstand es, zutiefst zu verletzen.
Esperanza war ihr mit das Wichtigste auf dieser Welt. Wie schlimm traf sie diese Maßnahme! Während sie das letzte Stück Tortilla zwischen den Fingern zerbröselte, wünschte sie sich sehnlichst, die Erde möge sich auftun und ihre Schwester verschlingen. Das war noch das mindeste, was sie verdiente.
Beim Streit mit ihrer Schwester hatte sie nicht aufgehört, Tortillastücke zu zerbröseln, weshalb sich nun unzählige Krümel vor ihr ausbreiteten. Diese tat sie auf einen Teller und verließ wütend die Küche, um den Hühnern ihren Anteil vorzuwerfen und sich anschließend wieder den Bohnen zu widmen. Die Wäscheleine auf dem Hof war über und über mit Esperanzas bezaubernden Windeln behängt. Es waren wunderhübsche Windeln. Sie hatten Tita viele Nachmittage gekostet, die sie ganz darauf verwandt hatte, die Ränder mit Stickereien zu verzieren. Sie schaukelten im Wind wie schäumende Wellen. Da wandte Tita den Blick von den Windeln ab. Sie mußte unbedingt vergessen, daß die Kleine zum erstenmal ohne sie gefüttert wurde, wenn sie das Essen fertigbekommen wollte. Also begab sie sich in die Küche zu ihren Bohnen.
Die feingehackte Zwiebel wird in Schmalz goldgelb gedünstet. Dann fügt man die zerdrückte Ancho-Pfefferschote und Salz nach Geschmack hinzu.
Ist die Grundsauce fertig, gibt man die Bohnen mit dem Fleisch und der Schwarte hinein.
Doch es war zwecklos, Esperanza aus dem Gedächtnis streichen zu wollen. Als Tita die Bohnen in den Topf umfüllte, entsann sie sich, wie sehr die Kleine Bohnensuppe liebte. Um Esperanza damit zu füttern, pflegte Tita sie auf ihren Schoß zu setzen, ihr eine riesige Serviette umzulegen und die Suppe mit einem Silberlöffel einzuflößen. Wie hatte doch ihr Herz gehüpft, als sie das Geräusch des Löffels hörte, der gegen die Spitze von Esperanzas ersten Zähnchen stieß. Zur Zeit kamen gerade zwei weitere zum Vorschein. Tita hatte stets sorgsam darauf geachtet, keines beim Füttern zu verletzen. Hoffentlich gab Rosaura sich nun ebensolche Mühe. Aber was wußte ihre Schwester schon! Sie hatte Esperanza doch bisher noch nie gefüttert. Nicht die leiseste Ahnung hatte sie auch davon, daß ins Bad Salatblätter gehörten, damit
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