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Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel de Montaigne
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konnten, und bei aller uneingeschränkten Freiheit der Scheidung vergingen fünfhundert und mehr Jahre, ohne daß sich jemand derselben bediente.
     
    Quod licet, ingratum est; quod non licet, acrius urit. 13
     
    Zu dem Vorgesagten könnte man auch noch die Meinung eines Alten hinzufügen, daß die Todesstrafen die Verbrechen vielmehr häufen als verringern, daß sie nicht den Willen recht zu tun erzeugen (denn das ist das Werk der Vernunft und der Sittenlehre), sondern bloß die Behutsamkeit, sich nicht über den Übeltaten ertappen zu lassen.
     
    Latius excisae pestis contagia serpunt. 14
     
    Ich weiß nicht, ob diese Meinung ganz wahr sei, aber dies weiß ich aus Erfahrung, daß niemals eine Polizei dadurch verbessert worden. Ordnung und Regelmäßigkeit der Sitten hängt von ganz andern Mitteln ab.
    Die griechischen Geschichtschreiber erwähnen der Argippäer, eines in der Nachbarschaft von Skythien wohnenden Volks, welche ohne Ruten und Stöcke zum Schlagen lebten, die sich nicht nur niemand getraute anzugreifen, sondern jeder, der sich zu ihnen flüchtete, war in völliger Freiheit, wegen ihrer Tugend und der Heiligkeit ihres Lebens. Keiner war so kühn, dagegen zu verstoßen. Man wandte sich an sie, um Zwistigkeiten auszugleichen, die anderwärts unter Menschen entstanden. Es gibt Nationen, wo die Befriedigung der Gärten und Felder, die man einschließen will, in einem gesponnenen Faden bestehet, die sich sicherer befinden und eingeschlossener als durch unsere Gräben und Hecken. Furem signata sollicitant ... Aperta effractarius praeterit. 15 Vielleicht dient auch unter andern die Leichtigkeit, in mein Haus zu kommen, dazu, es vor Gewalttätigkeiten in unsern bürgerlichen Kriegen zu sichern. Verteidigungsanstalten reizen das Unternehmen und Mißtrauen den Angriff. Ich habe das Vorhaben der Kriegsmächte dadurch geschwächt, daß ich ihnen die Schwierigkeiten aus den Augen rücke und zugleich die Gefahr und jeden andern Stoff zum militärischen Ruhm, der ihnen gewöhnlicherweise zur Entschuldigung und Rechtfertigung dient. Das, was mit Mut getan wird, führt in den Zeiten, wo die Gerechtigkeit so gut als tot ist, immer Ehre bei sich. Ich mache ihnen die Eroberung meines Hauses zur Niederträchtigkeit und Dieberei. Einem jeden, der anklopft, steht mein Haus offen. Zu meiner ganzen Beschützung habe ich nichts weiter als einen Türsteher nach altem Brauch und alter Sitte, welcher nicht sowohl dazu dient, meine Tür zu verteidigen, als sie freundlicher und anständiger zu eröffnen. Ich habe keine andere Haus-oder Schildwache, als welche die Sterne für mich stehen. Ein Landedelmann hat sehr unrecht zu tun, als ob er sich verteidigen wollte, wenn er sich nicht richtig verteidigen kann. Wer nur von einer Seite schutzlos ist, der ist es allenthalben. Unsere Vorväter hatten keinen Gedanken daran, Grenzfestungen zu bauen. Die Mittel anzugreifen, ich meine unsere Häuser ohne Batterien und Kanonen zu überraschen, werden von Tage zu Tage stärker als die Mittel, sich davor hüten. Die Menschen werden von jener Seite immer pfiffiger. Verheeren und verwüsten ist die Sache fast aller; Verteidigen und Beschirmen bloß die Sache der Wohlhabenden. Mein Landsitz war ziemlich befestigt für die Zeit, da er erbaut wurde; von dieser Seite habe ich nichts hinzugetan und würde fürchten, daß seine Haltbarkeit mir selbst zum Nachteil ausschlagen möchte. Dazu kommt noch, daß friedfertige Zeiten es notwendig machen könnten, die Verteidigungswerke zu vermindern. Es ist gefährlich, sie nicht wiederherstellen zu können, und unsicher, sich darauf zu verlassen. Denn in bürgerlichen Kriegen kann es unser Bedienter mit der Partei halten, die wir fürchten. Und wenn nun gar noch die Religion zum Vorwand dienet, da werden selbst Blutsverwandte unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit Menschen, denen man nicht sicher trauen kann. Der öffentliche Schatz erhält unsere Hausbesatzung nicht. Dadurch würde er völlig erschöpft werden. Wir können solche nicht erhalten, ohne zu verarmen, oder wenigstens mit größerer Beschwerde und Lasten, wenn das Volk nicht dazu beitrüge. Der Staat wird durch meinen Untergang nicht sonderlich viel leiden. Übrigens, wenn man dabei zugrunde geht, so halten sich unsre Freunde selbst mehr über unsere Unvorsichtigkeit und Unklugheit auf, als daß sie uns unsere Unwissenheit und die Vernachlässigung unserer Geschäfte beklagen sollten. Daß so viele bewachte Landsitze zerstört sind, wenn andere

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