Essen kann jeder
aufhören zu saufen, sonst bläht sich mein Kopf auf wie ein Wasserballon und platzt!« Auch wenn sich der Schädel am nächsten Tag möglicherweise so anfühlt.
Die Geschichte vom bösen Cholesterin
Das wirft natürlich die Frage auf: Woher kommt die Vorstellung, Cholesterin sei so gefährlich? Einer der Begründer des Mythos »böses Cholesterin« ist der Russe Alexander Ignatovski. Dieser findige Wissenschaftler fütterte im Jahre 1908 über einen längeren Zeitraum hinweg Kaninchen mit einer sehr interessanten Speise. Nämlich mit püriertem Hirn mit Ei. Das ist quasi purer Cholesteringenuss. Und nach einigen Wochen sind dann Meister Lampe tatsächlich die Koronarien explodiert. Da war der Fall natürlich klar: Das liegt am Cholesterin. Na sdar owje! Kann sein, kann aber auch nicht sein. Heute, wo man natürlich viel mehr über die Biologie und die Lebensweisen von Kaninchen weiß, wenden einige Ernährungswissenschaftler ein: »Moment mal. Die Viecher sind doch Vegetarier. Der liebe Gott hatte für Hasen Ei und Hirn als Nahrung nie wirklich vorgesehen!« Sonst hätte er die putzigen kleinen Pelztierchen doch wohl mit Reißzähnen und Krallen ausgestattet. Ein Kaninchen auf eine strenge Ei-Hirn-Diät zu setzen ist ungefähr so sinnvoll, wie eine Vampir-Fledermaus zu zwingen, nur noch Buttermilch zu saufen. Ganz nebenbei mal – weil das Cholesterin wirklich sehr schlecht beleumundet ist: Haben Sie gewusst, dass Cholesterin ein ziemlich wichtiger Stoff in unserem Körper ist? Ein Fünftel unseres Hirns soll aus reinem Cholesterin bestehen! Wenn Sie also cholesterinfreie Nahrung kaufen, haben Sie vielleicht das Problem, dass Sie zu wenig Cholesterin im Kopf haben, keinesfalls aber zu viel.
Allergie-Alarm
Und davon mal ganz abgesehen. Selbst wenn Cholesterin des Teufels wäre, haben Sie den Eindruck, dass dessen Austreibung aus der Butter irgendwas gebracht hat? Habe Sie das Gefühl, dass wir durch die ganze gesunde Ernährung auch wirklich gesünder werden? Also ich nicht! Ist Ihnen zum Beispiel schon mal aufgefallen, wie schwer es heute ist, für Freunde zu kochen? Du lädst zum Essen ein und stehst stundenlang in der Küche, weil du deine Gäste mal mit etwas ganz Besonderem verwöhnen willst. Und wenn du dann mit großem Tusch eine Auflaufform voll überbackenen Pfannkuchen mit Pfifferlingfüllung an Weißweinrahmsoße auf den Tisch stellst, herrscht plötzlich betretenes Schweigen. Der Erste sagt, oh, Rahmsoße, das sei aber ganz schlecht wegen seiner Laktose-Intoleranz. Der Nächste gesteht, dass er Pfifferlinge wegen seiner Pilzallergie gar nicht vertrage. Dem Dritten fällt ein, dass seine Gluten-Unverträglichkeit ihm verbietet, Teigwaren mit Weizenmehl zu essen. Und der Vierte liegt schon unterm Tisch, weil ihm als Glutamat-Allergiker die drei Esslöffel Soßenfix von Maggi den Garaus gemacht haben. So sieht es aus!
Das war früher doch auch nicht so. Menschen mit einem derart instabilen Magen-Darm-System hätten unsere WG-Küche nicht mal betreten können. Diese immunologischen Totalversager hätte Mutter Natur im Laufe der Evolution ausselektiert. Da fragt man sich: Wo kommen denn die ganzen Allergien auf einmal her? Sie werden sagen, ist doch klar, der Schmutz, der Dreck, die Gifte im Essen, die Lebensmittelzusätze … Das mag sein. Andererseits müssen wir uns bei all dem Kulturpessimismus immer vor Augen halten, dass sich in vielerlei Hinsicht die Qualität unserer Nahrungsmittel im letzten Jahrhundert dramatisch verbessert hat. Als es noch keine Pestizide oder Konservierungsmittel gab, war jedes Lebensmittel ungemein naturbelassen und irre bio. Dafür planschten die Tuberkulosebakterien aber auch fröhlich in der Milch herum. Mutterkorngift im Mehl ließ einem die Finger abfaulen. Bleizucker im Wein verarbeitete die inneren Organe zu Brei. Und in die Wurst kam sowieso alles rein, was selbst ein Aasgeier verschmäht hätte.
Bewusst gesund oder ungesund bewusst: Der Einfluss der Psyche
Das ist heute anders. Strenge Hygiene- und Schadstoffrichtlinien regieren auch bei konventionellen Anbaumethoden. Allein in der Qualität der Nahrung kann unsere neue Gebrechlichkeit folglich nicht begründet liegen. Die Ostdeutschen litten nämlich nach der Wende viel weniger an Allergien als die vom Kapitalismus verzärtelten Wessis. Aber hatten die DDR-Bürger weniger Chemie oder weniger Dreck im Essen? Oder war alles schon wieder so giftig, dass selbst die Salmonellen krepiert sind? War um also waren die
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