Essen kann jeder
wir uns auch wieder so ernähren. Wobei man natürlich einwenden kann: Gute Idee, aber selbst im bestsortierten Supermarkt ist an Mammutsteak schlecht ranzukommen. Aber vielleicht funktioniert es ja, wenn Sie sich vorstellen, Sie seien ein Neandertaler. Und dann fragen Sie sich: Was hätte dieser Höhlenbewohner unter diesem ganzen Mist eigentlich als Lebensmittel erkannt? Wenn Sie sich nicht sicher sind, dann legen Sie das Produkt wild grunzend ins Regal zurück. Um besser in die Rolle hineinzufinden, könnten Sie sich vielleicht ein Bärenfell umhängen und eine große Holzkeule in der Hand tragen. Dann ist eines schon mal sicher. An der Kasse wird sich keiner mehr vordrängeln!
Selbst ist der Koch!
Immer wieder kommen nach meinen Auftritten verzweifelte Menschen zu mir und sagen: »Herr Weber, Sie predigen mit missionarischem Eifer, man solle sich sein Essen selbst zubereiten. Aber ich kann nicht kochen. Meine Weihnachtsplätzchen gleichen Splitterbombenmaterial. Die Kinder würden gerne ihren Napf mit dem Dackel tauschen. Und mein Mann hat sogar wieder angefangen, vor dem Essen zu beten! Ich kann echt nicht kochen!«
Das ist natürlich alles Unfug. Oder eine hasenfüßige Ausrede. Jeder kann kochen. Kochen kommt nämlich nicht von Können, sondern von Kreativität. Das Wichtigste ist: Man muss seinen persönlichen Stil finden. Ich koche zum Beispiel nie nach Rezept; das wäre unter meiner Würde. Wenn ich das schon höre: Kochvorschriften. V-o-r-s-c-h-r-i-f-t-e-n. Das klingt schon so, als hätte Johann Lafer sein Blockwartkäppchen aufgesetzt. Hätte es jemals Stopfgans oder Datteln im Speckmantel oder Igel in Lehmkruste gegeben, wenn sich alle an die Vorschriften gehalten hätten?
Das heißt nicht, dass ich keine Kochbücher habe. Ich habe Kochbücher. Meterweise sogar. Ich besitze alles von Jamie Oliver. Wahnsinn, der Mann. Koch und Engländer! Ein »englischer Koch«, das war bei uns in der WG der Dosenöffner. Dann habe ich noch ein Piratenkochbuch. Ein Indianerkochbuch. Ein Erotikkochbuch (mittlerweile kann ich Spargel dünsten, braten, blanchieren, frittieren und mit Viagrapulver garnieren). Sogar ein Jesus-Kochbuch besitze ich. Ja, ein Jesus-Kochbuch. Da heißt es zum Beispiel: »Man nehme einen Liter Wasser und verwandle ihn in einen leichten Moselwein. Anschließend filetiere man einen Heilbutt und verteile ihn gleichmäßig auf 10 000 Teller.«
Kochbücher dienen mir lediglich als Inspiration. Ich schaue mir nur die schönen Bilder an, werfe einen groben Blick auf die Zutaten und Mengenangaben – und dann lege ich los. Nein, Kochen ist keine Frage der INFORMATION, sondern der INTUITION. Man muss sich in ein Schnitzel, will man es richtig in die Pfanne hauen, hineinversetzen können. Denn den Rest erledigt mein Genie. Was lese ich zum Beispiel bei Tim Mälzer? Tiroler Specksalat. Super, das mach ich! Doch was schreibt dieser Wurm? »Man nehme 50 Gramm geräucherten Bauch.« 50 Gramm? Bin ich ein Knauser, ein Geizhals Molière’schen Zuschnitts? Meine Gäste bekommen mindestens 500 Gramm Speck – und zwar pro Person! Der Speck muss sich über dem Salat türmen wie Felsbrocken über ägyptischen Königsgräbern.
Und wie geht es weiter: »Speck ausbraten und das ausgelassene Fett wegschütten.« Ist der Mann irre? Wegschütten? Ausgelassenes Fett? Das ist doch das Beste! Nein, das Fett muss triefend und tropfend, zischend heiß direkt über das saftige Grün gegossen werden. Und fertig ist, traraaa … frittierter Feldsalat! Hm.
Aber wir lernen daraus: Kochen ist auch die Kunst, niemals einen Fehler zuzugeben. Immer die Flucht nach vorn antreten! Kennen Sie zum Beispiel »Sauce Matterhorn«? Das ist wie Sauce hollandaise, nur geronnen. Sie würden Fleisch niemals verbrennen, sondern es im Holzkohlemantel garen. Gemüse ist nicht zerkocht, sondern »en marmelade«. Und wenn Ihr Kalbsschwanz- Soufflé in seine atomaren Teile zerfallen ist, verkaufen Sie es als den neuesten Trend aus der Molekularküche.
Also dann, frisch ans Werk. Jeder kann kochen. Ich sage immer: Wenn es meinen Gästen nicht schmeckt, mangelt es diesen Banausen einfach an kulinarischer Fantasie.
4 VORSICHT: GESUND!
Vor uns eröffnet sich eine Wand von Milchprodukten, länger als die Chinesische Mauer: Vollmilch , H-Milch. Buttermilch. Magermilch. Homogenisierte , pasteurisierte , sterilisierte , teilentrahmte , fettarme Milch, Quark, Kefir, Molke. Und natürlich Joghurt. Ein Universum von Joghurt. Nach der dreißigsten
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