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Essen kann jeder

Essen kann jeder

Titel: Essen kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Weber
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Joghurtsorte hören wir auf zu zählen.
    »Ui, Sanne, was sind denn das für kleine Fläschchen?«
    »Probiotischer Joghurt!«
    »Was? Joghurt in Ampullenform? Isst man das Zeug, oder spritzt man sich das direkt ins Bauchfett?«
    »Hm … mit sechs Milliarden probiotischen Bakterienkulturen. Belebt die Darmflora …«
    »Wo wollen die Leute hin mit ihrer Darmflora? Etwa zur Bundes gartenschau?«
    »Scheint aber gesund zu sein!«
    »Sanne, hör endlich mal auf mit deinem ›gesund, gesund, gesund‹! Die primäre Aufgabe von Nahrung ist nicht, gesund zu machen!«
    »Sondern?«
    »Satt! Aspirin macht gesund. Aber das schmeckt zu Knödeln mit Soße einfach grauenhaft.«
    Der pharmazeutische Supermarkt
    Supermärkte gleichen heute immer mehr riesigen Apotheken: Hier steht ein konzentrationsfördernder Molketrunk mit Lecithin. Dort liegen Tüten mit Knochen aufbauendem Weingummi. Weiter vorn stapeln sich Brote, die angeblich den Cholesterinspiegel senken. Daneben gibt es Backwaren mit futuristischen Namen wie Omega-3-Brot, Calcium-D3-Brot, Cult-1-Brötchen, R2-D2-Brezel … Auf jedem zweiten Produkt ist irgendein medizinisch klingender Stoff oder sogar schon ein therapeutischer Anwendungsvorschlag aufs Etikett gedruckt.
    Irgendwann werden die Regale wahrscheinlich nicht mehr nach Lebensmitteln, sondern nach Krankheiten sortiert. Da geht man zu einer Angestellten und fragt: »Entschuldigung, wo ist denn hier die Abteilung für Darmbeschwerden?« »Den Gang entlang an den Sehstörungen vorbei und bei den Nervenkrankheiten links! Aber so, wie Sie aussehen, haben Sie eher Probleme mit dem Blutdruck. Sie sollten lieber in unserer Herzkreislaufabteilung ein paar Nudeln gegen Gefäßverkalkung kaufen!« »Nicht schon wieder Nudeln! Ich hatte erst gestern Spaghetti gegen Rheuma!« »Vielleicht haben Sie eher Appetit auf eine Kartoffelpfanne mit einem Sedativum gegen Stress?« »Das klingt lecker. Das Sedativum passt sicher gut zu dem Fisch, den ich gegen die Demenz gekauft habe!« Bei Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie den Beipackzettel oder fragen Sie Dr. Oetker.
    Und das eigentlich Witzige ist: Alles, was den Bauch sich wohl- und weich fühlen lässt, hat ein ziemlich schlechtes Image. Überall im Supermarkt sieht man Schilder wie »Knäckebrot ohne Kohlenhydrate«, »Nudeln ohne Eiweiß«, »Milch ohne Fett«. Was hier wegfällt, sind Dinge, die wir Menschen seit Jahrtausenden zu uns nehmen. Fett ist natürlich das Allerschlimmste. Subli mierter Herztod. Milch gilt mittlerweile als vorsätzliche Körperverletzung seitens der Kuh! Die Verbannung von Fett aus den Lebensmitteln trägt richtiggehend surreale Züge. Es gibt sogar Weingummi ohne Fett! Das ist verblüffend, denn in Weingummi war eigentlich noch nie Fett. Weingummi ohne Fett ist wie »Salat entschuppt und ohne Gräten«. Dabei ist Fett ein sehr wichtiger Stoff für unser Wohlbefinden, der unseren Körper mit Energie versorgt. Und das ist nun mal ein ganz wesentlicher Grund, warum der Mensch überhaupt essen muss. Damit unsere Zellen mit Brennstoff versorgt werden. Der Mensch ist wie ein Heißluftballon: Isst er nur Ballaststoffe, bleibt er am Boden hängen.
    Es ist doch absurd: Wenn ein durchgeknallter Lebensmittelingenieur Fischöl ins Brot mischt, gilt das als geniale Idee. Aber wenn wir auf der Verpackung »10 % Kokosfett« lesen, rufen wir erzürnt aus: »Welcher Verbrecher haut denn da Palmin in die Waffeln?« Unsere Nahrung ist vollgestopft mit Vitaminen, Spurenelementen, Coenzymen und Mineralstoffen, als wären wir ein Volk von Astronauten und Polarforschern. Aber vom Nährwert betrachtet, könnte man genauso gut in eine Platte aus Styropor beißen. Und wie das Zeug teilweise produziert wird! Ich habe gelesen, um cholesterinfreie Butter herzustellen, wird Butter geschmolzen, über Aktivkohle gejagt, mit Mangansalzen behandelt, dann raffiniert und anschließend so lange mit Farb stoffen und Aromen bearbeitet, bis sie wieder aussieht wie Butter. Klingt das gesund? Irgendwie nicht. Aber klar, wir alle wissen: Ein zu hoher Cholesterinspiegel kann Herzinfarkte verursachen. Denn das haben wir schon mehr als einmal gelesen. Aber tatsächlich ist es noch gar nicht bewiesen, dass die Menge von Cholesterin im Blut in Zusammenhang steht mit der Menge an Cholesterin, das wir zu uns nehmen. Es ist wie mit Ihrem Blut. Die Menge an Blut in Ihrem Körper ist doch auch immer gleich. Egal, wie viel Sie trinken. Nach der zweiten Mass Bier sagen Sie auch nicht: »Ich muss jetzt

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