Essen kann jeder
ganz geklärt. Aber vielleicht steckt der »cephalische Insulinreflex« dahinter: Sobald Ihre Zunge in Kontakt mit Süßstoff kommt, schmeckt diese »süß« und meldet das Ihrem Hirn. Dieses schmeißt daraufhin die Bauchspeicheldrüse an, es wird Insulin ausgeschüttet, ein Hormon, das den Zucker im Blut abbauen soll. Aber Sie haben ja keinen Zucker gegessen, sondern nur Süßstoff. In Ihrem Blut schwimmt nun viel Insulin, aber kein Zucker. Diesen Zustand nennt man in der Medizin »Unterzucker«. Die Folge: Ihr Körper versucht, den Zuckerspiegel dem Insulinspiegel anzupassen. Sie bekommen tierischen Hunger. Also wundern Sie sich nicht, wenn Sie bei McDonald’s nicht aufhören können, Pommes zu fressen. Dank der Cola light sind Sie praktisch schon im diabetischen Koma.
Ist das nicht irrsinnig? Erst redet uns die Diätindustrie ein: Esst weniger. Und dann verkaufen sie uns Diätprodukte, die uns nur noch hungriger machen. Man könnte es auch als schlau bezeichnen. Oder perfide. Oder sadistisch.
Redlicherweise sollte ich aber erwähnen, dass die appetitanregende Wirkung von Süßstoffen bisher noch nicht zweifelsfrei bewiesen werden konnte. Was mich nicht erstaunt: Ich habe das Gefühl, über Nutzen und Sinn von Nahrungsmitteln wird heute nicht mehr von Fachleuten entschieden, sondern von den Trendforschern der Marketing- und Werbeagenturen.
Der wahre Dickmacher
Die Wissenschaft hingegen hat die häufigeren Ursachen für Übergewicht längst herausgefunden. Wissen Sie, was wirklich dick macht? Frauen, Stress und Fernsehen! Klingt erst mal ungewöhnlich, ist aber plausibel. Die größten Dickmacher sind nämlich die Hormone. Ein sinkender Testosteronspiegel führt zum Beispiel zu Gewichtszunahme. Klar, warum werden Bullen seit Jahrhunderten die Hoden abgeschnippelt? Damit der Ochse schneller fett wird. Und die Ehe wirkt unter hormonellen Gesichtspunkten wie eine Kastration. Denn nachweislich sinkt auch bei verheirateten Männern und frischgebackenen Vätern der Testosteronspiegel. Die Natur versucht offensicht lich, den Sexualtrieb zu dämpfen, damit sich das Primaten männchen um den bereits vorhandenen Nachwuchs kümmert, anstatt weitere Nachkommenschaft zu produzieren. Soweit zumindest die Theorie. Bei Männern wie Boris Becker muss die Evolution wohl vergessen haben, sie über dieses Konzept auf zuklären.
Noch wichtiger als Testosteron scheint aber in diesem Zusammenhang das Hormon Cortisol zu sein. Dieser Stoff wird von den Nebennieren bei Stress, Angst und Verzweiflung ausge schüttet. Also den drei grundlegenden Gefühlszuständen in einer normalen Beziehung. Cortisol stellt den Blutzucker bereit, damit der Körper Kraft hat zu kämpfen oder um sich möglichst schnell aus dem Staub zu machen. Bleibe ich Herr der Fernbedienung oder schaue ich das Länderspiel in der Eckkneipe? Oder aus weiblicher Perspektive: Sage ich ihm, dass er die Socken beim Liebesakt ausziehen soll, oder mache ich weiterhin die Augen zu und denke an George Clooney?
Bei chronischem Stress schüttet der Körper Blutzucker en masse aus, ganz so, als wäre er eine Coca-Cola-Abfüllanlage. Die Folge: Ein temporärer Fettspeicher entsteht. Und die größten Fettspeicher sind …? Richtig, der Bauch, die Beine und der Po. Übrigens reagieren schlanke Menschen auf Stress mit einer gemäßigten Cortisol-Ausschüttung. Da das Cortisol den Energieverbrauch nicht kompensieren kann, nehmen sie bei Stress eher ab als zu.
Psychische Belastungen sind also bei vielen Menschen die größten Dickmacher. Mir gefällt diese Vorstellung irgendwie. Vor allem unter sozialpolitischen Gesichtspunkten. Es wird immer wieder gerne betont, dass besonders Kinder aus der Unterschicht zu dick sind. Und warum? Die Antwort scheint klar. Weil ihre Mütter keine Ahnung von gesunder Ernährung haben! Wenn Frau Özmir in ihrer Küche im 23. Stock der Sozialbau wohnung in Berlin-Wedding der modernen Ernährungslehre nur ein minimales Interesse entgegenbringen und statt einer Fertigpizza auch mal einen Pastinakenauflauf in den Ofen schie ben würde, dann gäbe es diese Probleme gar nicht. Bildungsferne bedingt Adipositas. Es gibt sogar Politiker, die deshalb Ernährung als Schulfach einführen wollen. Der kleine Kevin kennt dann zwar den Nährwert von Brokkoli, schreibt ihn aber mit zwei »g«.
Dass Armut keine Entschuldigung für Übergewicht ist und man auch ohne Geld gut essen kann, hat schon Thilo Sarrazin bewiesen. Als Berliner Finanzsenator entwickelte er eigens
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