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Essen kann jeder

Essen kann jeder

Titel: Essen kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Weber
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besser – vortanzen würde.
    Das Waffenarsenal des Brokkolis
    Aber warum sollte sich ein Biobauer nicht gegen tierische und pflanzliche Fressfeinde zur Wehr setzen? Wenn manche Leute das Wort »Pestizid« hören, ist der erste Reflex: Oh Gott, warum wird der ganze Mist nicht einfach verboten? Aber das ist natür lich ziemlich naiv. Kulturpflanzen sind verzärtelte Geschöpfe, die keine Chance gegen Laus und Maus haben. Und daran sind wir Menschen schuld. Wir haben ihnen durch jahrhundertelange Zuchtwahl ihre Verteidigungsmittel gegen Parasiten und Schma rotzer genommen. Denn Pflanzen benutzen selbst heftigste Giftstoffe, um sich zur Wehr zu setzten. Brokkoli enthält zum Beispiel eine Substanz mit dem schmackhaften Namen Indol- 3-Carbinol. Experten zufolge ist dieser Stoff so eine Art Cousin ersten Grades vom Dioxin. Brokkoli enthält diese Substanz in ziemlich großen Mengen. Wenn das Gemüse industriell hergestellt werden würde, dürfte es nicht mal auf dem Acker vergraben werden. Denn ob Sie es glauben oder nicht, auch eine Pflanze will nicht gerne gegessen werden. Aus Sicht einer Himbeere sind Sie nicht weniger ein Schädling als jede Amsel oder jeder Schimmelpilz. Deswegen hat auch der unbehandelte Bioapfel in seiner Schale eine ordentliche Batterie von Schädlingsbekämpfungsmitteln gebunkert: Phenole, Terpene, Wachse. Richtig, Wachse. Es soll Menschen geben, die durch übermäßigen Apfelkonsum ihre Leber in eine Kommunionkerze verwandelt haben. Manche Apfel-Extremisten essen ja sogar das Gehäuse mit. Ein Irrsinn, denn in den Kernen befindet sich Amygdalin – ein Stoff, der Blausäure freisetzt! Sie haben richtig gelesen: Blausäure. Da denken die Leute, Wunder wie schlau sie sind, dabei ernähren sie sich so gesund wie Eva Braun im Führerbunker.
    Toxikologen schätzen, dass der größte Teil der Giftstoffe in unserem Essen aus den Pflanzen selbst stammt. Ich denke auch, dass im Vergleich zu den anderen Alltagsgiften, denen wir täglich ausgesetzt sind, Pestizide kaum ins Gewicht fallen. Der moderne Mensch ist heute von Zigtausenden chemischen Stoffen umgeben, die in falscher Dosierung fatale Folgen haben können. Eine Nase voll Imprägnierspray bei der Schuhpflege, und man hat wahrscheinlich das Gift von 30 Tonnen türkischer Trauben eingeatmet. Das Putzmittel, mit dem meine Mutter Schimmel flecken im Bad bekämpft, ist wahrscheinlich kaum gesünder als ein Vollbad in einem Breitbandfungizid. Andererseits ist Mamas Chemiereiniger wiederum ein kleineres Übel als die Pilzsporen, die der große grüne Fleck über meiner Wanne absondert.
    Mein Outing als Biokonsument
    Für mich persönlich wären gesundheitliche Erwägungen also kein Grund, eine Biokarotte zu mümmeln. Mein Gott, ich habe Chemie studiert. Von der Menge an Lösungsmitteln, die ich allein im Grundstudium geschnüffelt habe, könnten sich hundert peruanische Straßenkinder ein Jahr lang die Birne volldröhnen. Aber ich esse trotzdem viel Bio. Und das hat einen ganz praktischen Grund. Wenige Meter von meiner Wohnung entfernt, gibt es einen kleinen Gemüseladen, von dem ich in der Regel mein Grünzeug beziehe. Da spare ich mir die Schlepperei. Außerdem ist jeder Besuch dort ein höchst lehrreiches Ereignis. Der Besitzer ist ein freundlicher, runder Schwabe, mit dem man herrlich fachsimpeln kann. Also, er facht und ich simple. Da kriegt man zu einem Kilo Äpfel die gesamte Geschichte der Pomologie seit Wilhelm II. gratis mit auf den Weg. Manchmal hat er sogar irgendwelche vom Aussterben bedrohte Obstsorten im Angebot. Diese tragen verwegene Namen wie »Berliner Schafsnase« oder »Seestermüher Zitronenapfel«. Manche sind so sauer, dass sie es eigentlich verdient hätten, für immer von diesem Planeten zu verschwinden. Aber andere Sorten sind göttlich. Bereiten Sie mal einen Apfelkuchen mit einem »Geflammten Kardinal« zu, Sie werden danach den Golden Delicious zum Teufel jagen. Dieser Mann liebt seine Arbeit, seine Produkte und bietet nur Bioprodukte an – er wird wissen, warum. Und ich bin mir sicher, dass nicht nur die Hühner, sondern auch die Gurken, die ich hier kaufen kann, zu Lebzeiten ein bisschen glücklicher waren.
    Außerdem geht es mir persönlich beim Einkaufen auch um Lebewesen, über deren Wohlbefinden weniger geredet wird als über das Glück jeder Käfighenne: nämlich die Bauern. Diese sind den ganzen Agrargiften in höchst gefährlicher Weise ausge setzt. Die französische Regierung hat erst kürzlich Parkinson als durch

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