Essen kann jeder
Krise. Auch wenn die Verhältnisse in Deutschland besser sein mögen als anderswo: Ich bin der Meinung, dass sich der Konsument um eine Nachfrage für Produkte aus nachhaltigem Anbau kümmern sollte. Und das heißt eben, ein paar Cent mehr aus dem Beutel zu kramen und in den schrumpeligen, sauren Apfel zu beißen. Doch es muss auch klar sein, dass bewusster Konsum nur gelingt, wenn man es richtig macht. Zu vieles, was heute das Etikett »Bio« trägt, ist so umweltfreundlich, wie Russland demokratisch ist. Wenn die Biozucchini 10 000 Flugkilometer auf dem Buckel haben, kann man das Fahrrad auch stehen lassen und mit dem Hubschrauber zum Supermarkt fliegen. Sie dürfen den ökologischen Gedanken nicht sabotieren, indem Sie irgendwelche Biofertigprodukte von Großkonzernen kaufen oder selbst gezimmerten Biosiegeln vom Discounter vertrauen. Denn dieses Billigbio gräbt durch Preisdumping genau den Menschen das Wasser ab, die verantwortungsvolle Landwirtschaft betreiben wollen.
Wenn Sie aber meinen, mir ist der ganze Biokram vollkommen suspekt und ich schmecke den Unterschied zwischen einer Biokarotte und einer ordinären Möhre eh nicht – dann lassen Sie es. Vor allem, wenn Sie im Grunde gar kein Geld dafür haben. Wer den Kindern den Zoobesuch verweigert, damit er sich Biokartoffelbrei leisten kann, setzt die absolut falschen Prioritäten. Gemüse aus konventioneller Landwirtschaft lässt Ihre Lebenserwartung nicht schlagartig in den Keller sinken. Und Sie sind dadurch auch kein schlechterer Mensch. Es gibt schließlich noch andere und sicher weitaus bessere Methoden, etwas für die Umwelt zu tun, als »bio« zu kaufen. Seien wir ehrlich: Kein noch so ökologisches Kaufverhalten wird jemals echtes Engagement ersetzen. Also schlage ich vor: Essen Sie kein Bio und ketten Sie sich lieber an den nächsten Castortransport. Oder fahren Sie am Wochenende nicht zum nächsten Ökowinzer, sondern zu einer Demo, um gegen die geplante Großschlachtanlage im Landkreis zu demonstrieren. Damit ist diesem Planeten sicher mehr geholfen.
Aber auch für die Bioverweigerer ist das natürlich kein Freibrief, im Supermarkt jeden Dreck zu kaufen. Chilenische Erdbeeren im Winter sind ökologisch so sinnvoll wie die neue Ökokennzeichnung für Autos. Da kann öko draufstehen, aber ein Porsche Cayenne pustet trotzdem mehr Schadstoffe in die Luft als ein Smart. Und wenn für die Bewässerung spanischer Melonen ganze Landstriche trockengelegt werden müssen, ist das eine Sauerei. Wer denkt, er muss unbedingt Zuckererbsen aus Vietnam in seinem Wok schmoren, vertraut seine Gesundheit dem vietnamesischen Landwirtschaftsministerium an. Für diese Jungs würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Vietnamesische Verbraucherschützer haben ganz andere Probleme als Pestizide: Die sind schon froh, wenn sie bei ihren Stichproben nicht in amerikanische Tretminen latschen.
→ Mein Tipp
Ob Bio oder nicht Bio, beim Obst- und Gemüsekauf gilt: Unterstützen Sie Produkte aus Ihrer Heimat. Das spart Transportwege und senkt den CO2-Ausstoß. Natürlich nur, wenn Sie nicht täglich mit Ihrem Landrover zum nächsten Bauern fahren, um sich Ihren Kopfsalat zu holen. Was Sie dabei in die Luft blasen, dafür kann ein Apfel aus Neuseeland dreimal im Container um den Globus schippern. Beehren Sie also bitte Ihre Händler vor Ort.
Und essen Sie Spargel, wenn Spargelzeit ist – und zwar Spargelzeit in Deutschland und nicht in Peru. Kurz: Kaufen Sie regional und saisonal. Da sagen Sie: Aber woher soll ich denn wis sen, wann die Lychee bei uns reif ist? In diesem Fall will ich noch mal Gnade vor Recht ergehen lassen. Denn auch mit dem regionalen Gedanken kann man es übertreiben. Deshalb kaufen Sie bitte auch weiterhin Bananen. Es gibt viele arme Länder, die auf den Export von Südfrüchten angewiesen sind. Aber hier achten Sie bitte streng auf Bio. Denn es gibt Menschen, für die Bio garantiert sehr gesund ist, nämlich für die Bauern.
→ Futter für Fortgeschrittene
Legen Sie einen Ökogedenktag ein. Denn wenn auch deutsche Landwirte nicht mehr ihre Felder mit Dioxinen bestäuben wie der Bäcker den Christstollen mit Puderzucker, so ist das sicherlich ein Verdienst der Biobewegung. Und diese haben schließlich die Ökos losgetreten, die wir heute gerne belächeln. Dafür sollten wir ihnen dankbar sein. Sie haben uns gelehrt, dass Verzicht die wichtigste Form des Umweltschutzes ist. Deshalb üben Sie einmal im Monat Buße an Mutter Natur für die Sünden Ihres
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