Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Essen kann jeder

Essen kann jeder

Titel: Essen kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Weber
Vom Netzwerk:
macht ein Lebensmittel eben nicht zwangsläufig gesund. Eine Überdosis Bio-Schokoriegel verwandelt das Gebiss Ihrer Kinder in dasselbe schwarze Stoppelfeld wie Industriezucker, da kann der Zucker aus noch so fair gehandelten Rüben mit Individualwurzelpflege von Mecklenburger Kleinbauern stammen. Jedes Glas Milch aus konventionellen Bauernhöfen ist besser als Pausengetränk geeignet als eine Bionade. Selbst wenn die Kühe beim Melken mit dem Melkschemel geprügelt wurden. Erst im September 2012 untersuchte die Universität Stanford herkömmliche und Bioprodukte auf den Gehalt von verschiedenen Inhaltsstoffen wie Vitaminen, Proteinen, Fettgehalt oder Omega-3-Fettsäuren und konnte keine großen Unterschiede erkennen. Eine Tatsache, die viele Vertreter des Bioanbaus übrigens offen zugeben.
    Doch zur Verteidigung der Branche muss erwähnt werden, dass Biolebensmittel viel seltener mit Pestiziden kontaminiert waren. Das ist überaus lobenswert, denn heute wird ein gigantisches Arsenal von Giften eingesetzt, um unsere Pflanzen vor der Unbill des Lebens zu schützen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat 2011 bei 4 698 durchgeführten Lebensmittelproben insgesamt 767 verschiedene Pestizidwirkstoffe nachweisen können. Doch zur Beruhigung der Gemüter sei gesagt, dass die Höchstgrenzen für das jeweilige Gift nie überschritten wurden. Wobei es bei Grenzwerten natürlich darauf ankommt, wie hoch man die Latte hängt. Hängt man eine Stange zwischen zwei Kirchtürme, kann auch ein Nilpferd beim Limbotanzen eine gute Figur machen. Außerdem fanden die Kontrolleure in manchen Obstsorten immerhin Rückstände von bis zu 13 verschiedenen Pflanzenschutzmitteln. Auch wenn alle gefundenen Pestizide knapp unter der Höchstgrenze bleiben, ergibt das in der Summe vielleicht doch einen ordentlichen Cocktail. Man sagt ja auch nicht zu seinem pubertierenden Sohn: »Natürlich darfst du in der Kneipe Alkohol trinken. Aber nur ein Glas … von allen Getränken, die der Barkeeper mixen kann!«
    Doch selbst Greenpeace ist bei Untersuchungen zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz häufiger Rückstandsfunde ein positiver Trend zu erkennen sei und gesetzliche Grenzwerte immer seltener überschritten würden. So erklärt Manfred Santen, Chemiker bei Greenpeace: »In Deutschland und Europa ist das Ziel, den Anteil der Überschreitungen auf deutlich unter ein Prozent zu senken, nahezu erreicht.« Da hat sich offensichtlich einiges getan. Glücklicherweise, denn ich kann mich auch noch an Zeiten erinnern, als sich mein Vater jeden Samstag den Giftkanister auf den Rücken geschnallt hat und den Vorgarten in »Little Seveso« verwandelte. Da gehörte Giftspritzen zum Samstag wie Autowaschen und Sportschau . Es war ein Zeichen für eine fortschrittliche Einstellung gegenüber den Errungenschaf ten der deutschen Chemieindustrie. Wenn in den letzten Jahren wirklich mal irgendwelche Gifte in der Nahrung auf tauchten, stammten sie oft aus der Umwelt und nicht aus dem unsachgemäßen Einsatz von Pestiziden. Als 2007 Dioxin in italienischem Weichkäse gefunden wurde, hatten die Kühe neben illegalen Müllverbrennungsanlagen der Mafia gegrast. So ändern sich die Zeiten: Früher hielten die Burschen für ihre Gegner blaue Bohnen parat, heute machen sie einen mit Mozzarella kalt.
    Gefährliche Früchtchen
    Doch zu voreilig sollte man die Entgiftung des Landes nicht fei ern. Ein Großteil unserer Lebensmittel kommt aus Ländern au ßerhalb der EU. Und da ist manches exotische Früchtchen ein bunter Kampfstoffbehälter. Herbizidbomben in Apfelsinenform. Jetzt wissen Sie, wo der Begriff »Agent Orange« herkommt. Greenpeace bezeichnet Birnen und Tafeltrauben aus der Türkei sogar als »Risikoprodukte«, da sie gegen die EU-weiten Pestizidhöchstwerte besonders häufig verstießen. Aber auch Gewürze wie Chili aus Indien und Thailand werden als »Schurkenschoten« gebrandmarkt.
    Über die Gefahren der Verseuchung durch Fremdfrüchte wird in der Fachwelt sehr unterschiedlich geurteilt. Die Sprecherin des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Nina Banspach meint, obgleich die Ware aus Nicht-EU-Staaten bei ihren Auswertungen schlechter abschnitt, müsse nicht zwangsläufig vom Verzehr abgeraten werden: »Auch hier wurden nur fünf Prozent aller Proben beanstandet. Wer sich abwechslungsreich ernährt, also verschiedene Sorten von Obst und Gemüse variiert, streut damit das Risiko, Pestizidrückstände zu sich zu nehmen.« Sprich, wenn Sie die

Weitere Kostenlose Bücher