Essen kann jeder
Poster zeigt eine idyllische Bergwiese und mit Mistgabeln bewaffnete Bauern. Es fehlt eigentlich nur die Kuh.
»Mmh, die Äpfel sehen aber echt gut aus! Philipp, sind die denn wirklich bio?«
»Wieso nicht?«
»Die Bioäpfel auf dem Wochenmarkt sehen ganz anders aus … so, klein und schrumplig?«
»Jetzt, wo du es sagst, Sanne …«
»Ich hab mal einen Biobauern gefragt, ob das so sein muss, da hat er gesagt, nee, aber wenn die Äpfel nicht klein und schrumpelig sind, erkennen es die Konsumenten nicht als bio! Ihm blutet das Herz, wenn er seinen Salat eine Woche im Heizungskeller lagern muss. Aber sonst kauft das Zeug keiner.«
»Schau mal. Die Äpfel kommen auch aus China!«
»Bio aus China?«
»Genau. China, das Land der gesunden Babynahrung!«
»Bioprodukte aus China, da vertraue ich doch eher Sexspielzeug aus dem Vatikan, mal im Ernst.«
Bio ist sexy
Ein Großteil unserer Bioprodukte muss mittlerweile importiert werden. Am Frankfurter Flughafen werden täglich Tonnen von Biogemüse umgeschlagen. Denn die Nachfrage ist gewaltig. Jeder will heute Bio essen. Bio ist trendy. Bio ist cool. Bio ist sexy. Früher war Bio nicht sexy. Früher war Bio eine Sache für Ökos. Und der Öko der 80er-Jahre war alles, nur nicht sexy. Bei aller Liebe zur Umwelt, aber unter ästhetischen Gesichtspunkten waren die Ökos der 80er eine echte Umweltverschmutzung. Das waren Wesen, halb Mensch, halb Mostapfel! Mit Latzhose, Birkenstockschuhen, von Grüntee gegerbten Zähnen und einem Bart, vor dem sich selbst die Filzläuse ekelten … Traf man so einen Typen, wusste man nicht: Wo hört der Garten auf, wo fängt der Öko an?
Aber richtige Ökos gibt es ja heute fast gar nicht mehr. Selbst in den schrulligsten Gemüseläden werden Sie kaum noch einen dieser Dinosaurier der Umweltbewegung finden. Heute treiben sich andere Leute in den Biosupermärkten herum, zum Beispiel die sogenannten »Lohas«. Das ist die Abkürzung für »Lifestyle of Health and Sustainability«, also so viel wie »Gesundheit und Nachhaltigkeit als Lebensstil«. Lohas kleiden sich schick und sexy und riechen nicht mehr nach feuchter Jute und Patschuli. Der Ökofummel von damals war ja durch seinen betont sinnesfeindlichen Stil ein feministisches Statement. Eine Loha sianerin darf auftakeln wie eine Schlampe. Hauptsache, der Tanga ist aus Biobaumwolle! Der Öko von früher wollte aufs Land ziehen. Ein Loha aber ist überzeugter Großstädter. Er liebt das Land – solange nicht zu viele Bauern dort herumlaufen. Einen Nadelbaum kann er nur von einem Laubbaum unterscheiden, wenn Christ baumkugeln dran hängen. Trotzdem schnallt er sich regelmäßig sein Trekkingrad aufs Auto und fährt in die Berge. Er könnte auch öffentliche Verkehrsmittel nehmen, aber er hat ja ein Hybridauto. Und was das Essen anbelangt: Er verzehrt keine selbst gedörrten Trockenpflaumen, sondern ein saftiges, neuseeländisches Biolamm!
Der Öko von einst aß meistens gar kein Fleisch. Denn er war ein Asket, der den Verzicht predigte. Der moderne Öko will nicht mehr verzichten. Vor allem nicht aufs Geld. Dafür gibt es Billig-Bio bei Lidl. Dort sind die Schweine besonders glücklich, weil die Tiere genau wissen: Die eigentliche arme Sau sitzt an der Kasse.
Aber Lidl-Bio ist nur mit dem EU-Biosiegel gekennzeichnet. Das ist von allen 23 Millionen gefühlt existierenden Biosiegeln das lascheste. Denn EU-Bio ist bezüglich der Biostandards natürlich nur ein Biokompromiss aus allen 27 Bio-, äh, EU- Staaten. Zum Beispiel haben die meisten Tschechen, die ich kenne, ein eher entspanntes Verhältnis zu gesunder Ernährung. Die sagen: Bio ist mir wurst. Mein Obst landet eh im Destillierkolben. Sowieso ist Gemüse in der slawischen Küche nur in homöopathischen Dosen als Beilage vorgesehen – zumeist als in Konservierungsstoffen eingelegter Krautsalat.
Bio = gut?
Das Problem mit Bio ist: Wenn irgendwo Bio draufsteht, dann denkt der Konsument automatisch: »Das ist gut und lieb und kuschelig für mich und alle anderen Geschöpfe dieses Planeten.« Bio befriedigt unser Bedürfnis nach einer heilen Welt. Deswegen gibt es jeden Quatsch in bio: Biofertigtütensuppen, Bi o bockwürste im Glas, Bi o hundefutter, Bioklosteine … Einem ame rikanischen Zigarettenhersteller musste sogar per Gerichtsbeschluss untersagt werden, Biot abak zu verkaufen. Warum eigentlich? Klar, Ökoglimmstängel sind so tödlich wie normale Zigaretten, aber vielleicht sind die Leichen ja besser abbaubar? Doch Bio
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