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Essen mit Freunden - Roman

Essen mit Freunden - Roman

Titel: Essen mit Freunden - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Mitte. Kochen war Gefühl, war Hingabe. Eine Einladung zum Essen war für Luise eine Art Liebeserklärung – an den Eingeladenen, an das Leben.
    Â»Und eine neue Küche hätte ich vermutlich auch noch nicht«, sagte sie schließlich mit einem Lächeln.
    Â 
    Luise und ihre Küche. Das war Liebe auf den ersten Blick. Nachdem ihre Beziehung mit Jörg zu Ende gegangen war
und der anfängliche Schock nachgelassen hatte, wusste sie, dass sie etwas Einschneidendes in ihrem Leben ändern musste. Sie kannte genügend Frauen, die den ersten Trennungsschmerz mit Abos für Fitnessstudios bekämpften, mit teuren Klamotten in auffallenden Farben, die sie nie anzogen, mit zu hohen Schuhen, in denen sie Wadenkrämpfe bekamen, oder mit Haarschnitten, die sie später meist bereuten. Luise hasste Fitness genauso, wie sie hohe Schuhe hasste, und sie hing an ihren Locken. Darum hatte sie sich, nachdem Jörg endgültig ausgezogen war, eine Küche maßschneidern lassen.
    Während andere Frauen im zweiten Trennungsstadium dazu neigten, sich eine Dazwischen-Beziehung zu suchen, die als eine Art Brücke von dem Verflossenen zum Wieder-richtig-im-Fluß-Sein dienen sollte, suchte Luise nach einem ganz anderen Mann. Ihre erste Liebesbeziehung nach Jörg hieß Günter und war rein platonisch angelegt. Günter war Tischler und eine Empfehlung von Frau Berg, denn eines musste man der Berg lassen: Sie hatte ein Auge für Qualität und wusste, wer wirklich gut war. Und Günter war gut. Luises Arbeitsfläche war in exakt der richtigen Höhe, die Türen ihrer neuen Küchenschränke matt rosenfarben, die Schubladen liefen wie von selbst, geräuscharm, ohne Widerstände. Luise hatte einmal in einer Geschichte gelesen, wie ungeahnt beruhigend es sein konnte, gut laufende Schubladen auf- und zuzuziehen, wenn Beziehungen kritische Punkte erreichten. Darum hatte sie es passend gefunden, sich genau so eine Küche mit genau solchen Schubladen zur Trennung zu gönnen. Rosenrot – Jörg wäre ausgerastet.
    Jörg war immer charmant gewesen, humorvoll, unkompliziert, und er hatte Luises Vorliebe für Provisorien geteilt.
Das einzig Feste und Konstante in seinem Leben waren die Frauen, die immer wieder seine Bahn kreuzten, und die Geschichten, die er zum Vertuschen ihrer Existenz erfand. Luise entschied sich nach der Trennung, zumindest in einem Punkt Abschied von Provisorien zu nehmen und Nägel mit Köpfen zu machen: ein Durchbruch in der Wand zur Abstellkammer, eine Wandverkleidung über der Arbeitsplatte, magentafarben und hochglanzlackiert. Sie hatte einen Teil ihres gehüteten Erbes, das ihr nach dem Tod ihres Vaters ausgezahlt wurde, in den Umbau, in die Küche und in die Anschaffung eines großen Esstisches investiert. In Stühle in Rot, in Pink und in Natur, stapelbar, für mehr Gäste, als sie insgesamt in den vier Jahren Beziehung mit Jörg empfangen hatte. Manchmal, wenn sie traurig war, sich einsam fühlte und anfing, Jörg – oder besser: das Phantom, mit dem sie zusammengelebt hatte – zu vermissen, kochte sie sich einen Tee, setzte sich auf ihre Arbeitsplatte, ließ die Beine baumeln, wie sie es früher schon daheim bei ihren Eltern gemacht hatte, und strich mit ihrer Hand sanft über das honigfarbene Nussbaumholz. Glatt, weich, leicht abgerundet an den Kanten. Spätestens nach einer halben Tasse Tee spürte Luise keine Sehnsucht mehr. Jedenfalls hatte ihre Arbeitsplatte keine störenden Haare auf den Schultern, schnarchte niemals und zog einem weder die Bettdecke noch den Boden unter den Füßen weg. Luise vermisste nichts. Vor allem: keinen Jörg!
    Â 
    Â»Wer will Kaffee?« Sie nahm ihre Füße von Thorbens Schoß und reckte sich.
    Â»Hmmm, Eis oder Schokolade?«, fragte Anne. »Wäre das vielleicht auch noch drin?«
    Â»Und ein Grappa?«, murmelte Thorben.
    Â»Oder ein Vin santo mit Biscotti?«, hauchte Sybille.
    Â»Ihr seid unmöglich!« Luise lachte und wollte aufstehen, aber Anne legte ihr die Hand auf die Schulter.
    Â»Lass mal, ich mach das schon.« Sie stand auf und ging zur Küchenzeile. Sanft und wie nebenbei strich sie mit der Hand über die Nussbaumplatte. »Weißt du, worauf ich gespannt bin?« Sie wandte sich zu Luise um, die fragend mit den Schultern zuckte.
    Â»Wie es wohl wäre«, sagte Anne dann grinsend, »wenn du dich

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