Essen mit Freunden - Roman
in der Wohnlandschaft im zweiten Stock.
»Bennis Vater ist kein Problem«, sagte Katharina und fuhr sich mit den Fingern durch die kurzen, dunklen Haare. »Schwierig ist nur seine Mutter. Sie hat mich von Anfang an nicht akzeptiert. Mein Doktortitel in Ethnologie hat sie zwar beeindruckt, aber dann hat sie wohl Angst bekommen, dass ich selbst Karriere machen will oder ihren Sohn schnappe und nach Papua-Neuguinea auswandere. Das wäre für sie das Letzte. Sie will eine Schwiegertochter, die ihrem Architekten-Sohn den Rücken freihält, und damit meint sie: Kinder kriegen, Essen kochen, repräsentieren. Das ganze Programm. Sie will einfach nicht kapieren, dass es Benni viel mehr unterstützt, wenn wir beim Italiener sitzen und er mir von seinen neuesten Projekten erzählt, dabei Entwürfe auf die Papierserviette malt und ich das alles kommentiere. Sie versteht nicht, dass ihm mein Urteil wichtiger ist als eine gerade Bügelfalte in seiner Hose.« Sie warf Luise einen traurigen Blick zu. »Nichts kann ich ihr recht machen. Sie meint, Benni hätte eine Frau verdient, die für ihn zurücksteckt, so wie sie es für Bennis Vater gemacht hat. Die alles aufgibt, wie sie alles aufgegeben hat. Sie traut mir einfach nichts zu. Kochen schon gar nicht. Wobei sie in dem Punkt natürlich recht hat.« Trotz ihres Lächelns hatte Katharina Tränen in den Augen, und ihre Verzweiflung war beinahe mit Händen zu greifen. »Aber Benni hängt an ihr, und ihm ist wichtig, dass sie und ich uns mögen.«
»Was hat sie denn für ihren Mann aufgegeben?«, fragte Luise vorsichtig.
»Ihren Job, ihre Heimat. Im Grunde auch ihre Familie. Alles eigentlich.«
»Kannst du mir ein bisschen was über sie erzählen? Wo kommt sie her, was hat sie gemacht, bevor sie geheiratet hat?«
Katharina sah sie verwundert an. »Interessiert dich das wirklich? Es sollte doch eigentlich nur ums Kochen gehen.«
Luise nickte, nahm sich einen Keks und ihre Teetasse, lehnte sich zurück in die weichen Tiefen des Sofas und gab so das Zeichen, dass sie für eine Weile nichts anderes war als Ohr und Mitgefühl.
»Also gut! Bennis Mutter stammt eigentlich aus einer Bauernfamilie im Schwarzwald. Der Hof lag ganz abgeschieden mitten im Wald, wo kein Schulbus hinkam, und sie musste, wenn alles verschneit war, auf Skiern zur Schule. Sie hat Benni, als er klein war, im Winter abends beim Gute-Nacht-Sagen öfter davon erzählt. Er mochte ihre Geschichten immer lieber als die Märchen, die sie ihm sonst vorlas. Benni ist nicht oft dort gewesen, aber wenn er von den Besuchen bei der badischen Verwandtschaft redet, hört es sich an, als sei er im Paradies gewesen. Sein Onkel hat nach dem Tod der GroÃeltern den Hof übernommen. Es haben Wiesen dazugehört, Felder, ein Stück Wald, Vieh.«
Katharina machte eine Pause und sah Luise an. Ihr Blick stellte die unausgesprochene Frage, ob das genüge. Luise nahm einen weiteren Schluck Tee und wartete wortlos, bis Katharina in ihrer Erzählung fortfuhr.
»Wir waren im letzten Winter zusammen dort, Benni und ich. Das war wirklich märchenhaft. Es gibt zwar keine Kühe mehr auf dem Hof, aber ein paar Hühner, Katzen, einen Hund. Wir sind durch den verschneiten Wald gewandert, bis wir völlig durchgefroren waren. Dann haben wir mit seinem Onkel in der Stube gegessen, auf der Ofenbank. Sie haben einen riesigen Kachelofen, der über mehrere Zimmer geht und das ganze Haus heizen kann. Alles roch nach Holz und nach Feuer. Bennis Tante hat Flädlesuppe gemacht. Brühe mit kleinen Eierkuchenstreifen.«
Luise nickte. »Kenne ich.«
»Das war so einfach. Und so gut. Den Ofen im Rücken, die Suppe vor der Nase.« Katharina machte erneut eine Pause. Die Erinnerung an die Situation war ihren Augen abzulesen, und sie schien für einen kleinen Moment lang wieder am Ofen zu sitzen, in Wärme und Wohlbehagen. »Sie haben von früher erzählt. Dass die Mutter Dialekt geredet hat. Auf der Sekretärinnenschule haben sich deshalb wohl viele über sie lustig gemacht. Also hat sie alles drangesetzt, um den Dialekt abzulegen, das Ländliche, einfach alles, was ihr nicht gut genug erschien. Sie ist sehr ehrgeizig. Mehr Ehrgeiz hat sie ja auch immer von Benni verlangt.«
»Und früher?«, fragte Luise, um nicht in der Gegenwart zu landen, sondern noch bei dem jungen Mädchen zu bleiben, das Bennis
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