Essen mit Freunden - Roman
AuÃerdem habe ich Zeit«, sagte Thorben.
»Ohhhh«, säuselte Sybille, »heiÃt das, Silvester mit Mausi oder Hasi war ein Reinfall?«
»Sugarbabe«, korrigierte Thorben säuerlich. »Sie hatte leider nicht nur ein altes Foto ins Netz gestellt, sondern zufälligerweise auch einen für sie vorteilhaften Zahlendreher im Geburtsdatum.«
»Böses Babe«, sagte Anne mit gespieltem Mitleid in der Stimme.
»Das wäre zu verkraften gewesen, aber dass sie noch zwei andere Internet-Flirts zur Party eingeladen hatte, war schon ein herber Schlag. Der mit den breitesten Schultern hat dann das Rennen gemacht. Fitnesstrainer. Pünktlich um zwölf, als sich alle Paare um den Hals gefallen sind, habe ich mit ihrem anderen Date und einer Flasche Whiskey, die ich versteckt in einem Schränkchen hinter dem Sofa der Gastgeber gefunden hatte, auf der Terrasse angestoÃen. Das ist dann noch ganz nett geworden. Aber was soll's.«
»Armer Thorben! Die weià gar nicht, was ihr da für ein Goldstück entgangen ist«, sagte Luise und strich ihm tröstend über den Rücken. »Dein Angebot mit der Kalkulation nehme ich übrigens gern an.« Den Kommentar, der ihr auf der Zunge lag und der etwas mit der Ehrlichkeit in Internet-Partnerbörsen und dem Chatten in Jogginghosen zu tun hatte, verkniff sie sich. Stattdessen sagte sie: »Wenn ich euch also richtig verstehe, heiÃt das, ihr findet es wirklich gut? Den mobilen Koch-Service Essen mit Freunden ? Ihr würdet mich unterstützen und nicht für verrückt erklären?«
»Ja«, sagte Thorben, »allerdings nur unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Dass wir, deine Freunde, auch weiterhin von dir bekocht werden.«
»Oh, Thorben«, sagte Anne und kam Luises Antwort zuvor, »ich befürchte, dass das mit unseren Essen hier jetzt erst so richtig losgeht.«
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Luise stellte die Tassen in die Spülmaschine, sammelte die Zettel zusammen und legte sie auf ihren Schreibtisch. Kontoauszüge, Versicherungsunterlagen, Handschriftliches. Seit Neujahr war erst eine Woche vergangen, doch Thorben hatte sein Versprechen bereits eingelöst und mit ihr ihre Finanzen durchgesprochen, Kosten kalkuliert, nach Förderplänen recherchiert. Es sah besser aus, als sie vermutet hatte. Nach dem Tod ihres Vaters hatte sie erfahren, dass er eine Lebensversicherung zu ihren Gunsten abgeschlossen hatte. Damals wollte sie das Geld nicht. Sie wollte ihren Vater zurück. Die Küche war das Einzige, das sie sich davon geleistet hatte. Den Rest des Geldes hatte sie unangetastet gelassen. Es gab also
Sicherheiten. Rücklagen. »Und wenn es nicht reicht«, hatte Thorben dann gesagt, »könnte ich auch noch was beisteuern. Ich bin überzeugt von deiner Idee.« Sie war vor Rührung in Tränen ausgebrochen. Und als er ging, hatte sie ihm gleich drei Tütchen Cantuccini in die Tasche gesteckt. Seit sie bei Text-Berg gegangen war, hatte sie keine mehr gebacken, aber es gab immer noch einen groÃen Vorrat.
Sie lieà sich die Zahlen zum wiederholten Mal durch den Kopf gehen. Es war machbar. Bis Mitte März wollte sie sich Zeit geben für einen genauen Plan, wollte die anstehenden Ãmtergänge erledigen, Anschaffungen tätigen, ein bisschen Werbung machen. Mehr als zwei Monate Zeit also. Die Zettel auf dem Schreibtisch begannen zu vibrieren. Irgendwo da drunter lag ihr Handy. Nur wo?
»Luise? Verstehst du mich?« Sybilles Stimme knarzte aufgeregt aus dem Telefon. »Du kannst mit diesem Koch-Ding nicht im März anfangen. Hörst du? Das geht nicht!«
»Waaas?« Luise war sich nicht sicher, ob sie das richtig verstanden hatte oder ob es nur an der schlechten Verbindung lag.
»Du kannst nicht im März anfangen.«
Weniger Knarzen, aber immer noch derselbe Inhalt.
»Was soll das denn?«, schrie Luise barsch in den Hörer. »Warum soll ich im März nicht anfangen?« Dass sie sehr laut wurde, hatte nichts mehr mit dem schlechten Empfang zu tun.
»Weil ich Kundschaft für dich habe, verdammt noch mal. Die brauchen dich. Genau dich. Nur können sie nicht noch zwei Monate warten. Die brauchen dich nämlich schon früher.«
»Ohhh«, sagte Luise, nun weniger laut, »was heiÃt früher?«
»Früher heiÃt: ziemlich bald.«
»Sybille!!!« Luises Knie wurden weich. Sie lehnte sich an die Fensterbank
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