Essen mit Freunden - Roman
gefüllte Kalbsbrust. Und eine
gute Kalbsbrust bekomme man heutzutage nur selten. AuÃerdem lieh sie Luise auch gleich ihre Spätzlepresse. Benni hatte sich alles angehört, ein paar Mal »Mhm« und »Ah ja« gemurmelt und schlieÃlich gesagt: »Wenn du recht hast und es funktioniert, werde ich anschlieÃend so viel Mundpropaganda für dich machen, dass du dich vor Aufträgen nicht retten kannst.«
Nun hantierte Luise in der Küche, und der Countdown lief. Benni und Katharina deckten den Esstisch, der jetzt im Wohnzimmer stand, holten Teller aus dem Schrank, Servietten aus der Speisekammer, oder sie standen ratlos in der Tür, sie an ihn gelehnt, er die Arme um sie geschlungen, und beobachteten schweigend die Vorgänge am Herd. Luise gab ihnen die Vinaigrette zu probieren, lieà sie die Brühe kosten. Die beiden nickten anerkennend und im selben Takt. Sie waren ein schönes Paar. Nebenbei erklärte Luise ihnen, was sie gerade machte, damit Katharina bei Nachfragen nicht allzu unwissend dastehen würde.
»Das Allerwichtigste aber ist, dass Bennis Eltern auf keinen Fall in die Küche kommen. Erzählt was von Ãberraschung oder so. Wenn ihr das bis zur Kalbsbrust hinkriegt, haben wir gewonnen. Du kommst einfach nach der Suppe und nach dem Salat mit den Tellern rein und holst das raus, was ich dir hinstelle. Wenn wir flüstern, im Wohnzimmer Musik läuft und die Türen nicht offen bleiben, dürften sie nicht mitbekommen, dass du hier nicht allein bist. Der Flur ist lang genug. Die Spätzle machen wir nach dem Salat zusammen, denn wenn ich sie zwischen den Gängen allein mache, gäbe es zu viele Geräusche, die ihr mit Nachbarskatzen nicht erklären könntet. Und wenn die Spätzle fertig sind, simse ich Sybille, damit sie runterkommt, um sich bei euch
einen Fön, ein Lexikon oder was auch immer auszuleihen. Sie schafft dabei so viel lautstarke Ablenkung, dass ich mich unbemerkt aus der Wohnung schleichen kann. Den Rest schafft ihr allein. Das Zimtparfait steht im Eisfach, und das Warmmachen der Zwetschgen werdet ihr auch ohne meine Hilfe hinbekommen.« Sie nickte Katharina aufmunternd zu. Dann sah sie auf die Uhr. »Oje, langsam sollten wir uns beeilen.«
Â
Es klingelte.
Sie hörte, wie Benni vom Wohnzimmer, aus dem nun klassische Musik ertönte, zur Wohnungstür sauste, und sie sah, wie sich Katharinas Rücken versteifte. Sie selbst war hinter der halb geöffneten Küchentür verschwunden, wo sie abwarten wollte, bis sich die kleine Gesellschaft ins Wohnzimmer verzogen hatte. Katharina richtete sich auf, Kopf hoch, Schultern nach hinten, zehn Jahre Kinderballett zeigten immer noch Wirkung. Noch einmal tief durchgeatmet, Lächeln angeknipst, und dann trat sie auf den Flur. »Schön, dass ihr da seid!«, hörte Luise sie sagen, als die Küchentür ins Schloss gezogen wurde, und: »Nein, hier geht's nicht rein, denn schlieÃlich soll das Essen eine Ãberraschung werden. Die Wohnungsführung machen wir dann später.« Weitere BegrüÃungsfloskeln fielen. Der Vater, vom Klang her ein gemütlicher Bariton, lobte bereits die Wohnung und die ganze Atmosphäre, während Benni noch die Mäntel aufhängte. Seine Mutter hingegen fand, ebenfalls noch im Flur, dass es ihr ein bisschen dunkel vorkäme. In gestochenem Hochdeutsch. Luise beneidete Katharina nicht. Sie konnte sich gut vorstellen, welche Höllenqualen diese gerade durchlitt und wie ihre Angst, dass der ganze Schwindel auffliegen
könnte, immer gröÃer wurde. Leise, ganz leise, schnitt Luise die Eierkuchen in feine Streifen und probierte noch einmal die Brühe. Sie war zufrieden, es fehlte nichts. Sie prüfte die Konsistenz der SalatsoÃe und lugte kurz in den Backofen. Im Grunde war nichts mehr zu tun. Die Zwetschgen waren vorbereitet, das Zimtparfait stand im Kühlfach, der Speck und das Brot für die Kracherle waren gewürfelt. Ab jetzt war es lediglich eine Sache der Koordination. Luise hörte Schritte auf dem Flur und verschwand wieder hinter der sich öffnenden Küchentür.
»Ich bin froh, dass mehr als hundert Kilometer zwischen uns liegen. Verstehst du nun, was ich gemeint habe?«, flüsterte Katharina, als sie die Tür langsam hinter sich schloss. »Die Wohnung ist zu dunkel, die Couch zu niedrig, die Putzfrau nicht gründlich genug. Benni hatte beinahe einen Lachanfall, aber er
Weitere Kostenlose Bücher