Essen mit Freunden - Roman
Mutter einst gewesen war.
»Der Onkel hat erzählt, dass sie immer bei den Hühnern im Stall gesessen hat, wenn sie Kummer hatte, ein oder zwei Küken auf dem SchoÃ, denen sie ihr Leid klagte. Oder wie sie als Kinder Nachmittag um Nachmittag versucht haben, im Bach Forellen mit einem Käscher zu fangen. Wie sie ein mutterloses Kätzchen groÃgezogen hat. Er hat Fotos geholt, auf denen sie mit einem Blumenkranz aus Buschwindröschen auf einer Wiese steht, in einem karierten Schürzenkleid. Kaum vorzustellen, dass aus diesem kleinen Mädchen, das mit zerzaustem Haar und rutschenden Strümpfen in die Kamera strahlt, Frau Boonkamp wurde. Die Gattin eines Immobilienmaklers. Perlenkette, Chanelkostüm. Undenkbar. Sie ist dann immer weniger in ihre alte Heimat gefahren. Nach dem Tod ihrer Eltern wohl gar nicht mehr.«
Luise knabberte an einem Keks, grübelnd, schweigend.
»Ich dachte an Fisch oder so etwas«, sagte Katharina un
sicher. »Irgendwas, was nicht aufwändig ist, so dass ich es vielleicht hätte kochen können, aber das viel hermacht. Was meinst du? Vielleicht Krebsschwanzsuppe als Vorspeise? Könnte sie glauben, dass ich die selbst gekocht habe?«
»Es gibt weder Krebsschwanzsuppe noch Fisch«, sagte Luise schlieÃlich und stellte ihre Tasse mit Nachdruck auf den Couchtisch.
»Aber ich dachte â«, begann Katharina und schluckte den Rest des Satzes hinunter. Auf ihrem Gesicht breitete sich Verzweiflung aus.
Luise hatte eine Entscheidung gefällt. Ihr mobiler Koch-Service sollte sich von dem üblichen Catering unterscheiden. Nicht umsonst hieà er Essen mit Freunden . Wenn Luise also mit Bennis Mutter befreundet wäre und ihr zum Essen eine groÃe Freude machen wollte, würde sie ihr garantiert keine Krebsschwanzsuppe vorsetzen. Luise würde eher für die Person kochen, die Bennis Mutter einmal gewesen war, und nicht für die hanseatisch korrekte Makler-Gattin. Wonach sehnte sich das kleine badische Mädchen, das ein mutterloses Kätzchen groÃgezogen und Verstecken auf dem Heuboden gespielt hatte, heute? Womit könnte es nach so vielen hanseatischen Leckerbissen und edlen Restaurants für ein Essen lang glücklich sein? So glücklich wie damals, als es nach Schneeballschlacht und Schlittenfahrt abends auf der Ofenbank gesessen hatte, um bei dampfender Flädlesuppe Geschichten über den Geist im Mummelsee zu hören. Irgendwo hinter dieser Fassade, an der Katharina immer wieder abprallte, musste doch noch das Herz schlagen, das sich bei den Küken Trost gesucht hatte und mit rutschenden Socken glücklich war.
»Vielleicht machen wir einfach nur Kartoffelsalat«, sagte
Luise schlieÃlich und ignorierte Katharinas entsetztes Gesicht. »Gib mir ein bisschen Zeit, zu überlegen, okay? Heute ist Mittwoch. Das Essen soll in anderthalb Wochen sein, sagst du. Gut. Dann melde ich mich spätestens Montag bei euch. Den Rest klären wir dann.«
Â
Luise klingelte. »Kann bitte einer von euch runterkommen und mir tragen helfen?«, rief sie in die Gegensprechanlage. Sie hatte ihren Bratentopf mitgebracht, einen groÃen Suppentopf, einige ihrer Messer, die Lebensmittel, die sie brauchte und vor allem die bereits mit Wurstbrät, Kräutern und Gewürzen gestopfte und mit Garn umwickelte Kalbsbrust vom besten Bioschlachter der Stadt. Sie war schon eine ganze Weile auf den Beinen, und mit jedem Handgriff war ihr bei der Vorbereitung klarer geworden, an welche Dinge sie in Zukunft früher denken, für welche Situationen sie gewappnet sein musste. Noch bevor sie losgefahren war, hatte sie schon zweimal bei den beiden angerufen, weil ihr etwas eingefallen war, was sie nicht abgeklärt hatte. Geschirr und Deko waren kein Problem, darum kümmerte sich Katharina. Aber die Küchenausstattung war ein Graus. Man brauchte nur die Küchentür zu öffnen und wusste mit einem Blick, dass dort nur selten gekocht wurde. Benni war überrascht gewesen, als Luise ihm Anfang der Woche ihren Menüvorschlag vorgestellt hatte. Badisch. Ganz traditionell. Kein Schnickschnack, nichts Neumodisches. Flädlesuppe, Feldsalat mit Speck und Kracherle, fein angebratenen Brotwürfeln. Gefüllte Kalbsbrust als Hauptgang, mit Spätzle und Gemüse. Luise hatte sich mit einer süddeutschen Kollegin von Anne beratschlagt, und die meinte, typisch für den Landstrich seien Schäufele oder
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