Essen mit Freunden - Roman
klang.
Natascha zog den Kopf ein. »Vielleicht sollten wir einfach anfangen?«, schlug sie vor und legte ihre Hand besänftigend auf Annes.
»Also gut«, nickte Luise, stand auf und füllte drei Gläser. »Ich dachte mir, zur BegrüÃung gibt es so etwas wie einen Kir light.«
»Das ist ja süë, quietschte Natascha und tupfte begeistert mit ihrem Finger auf die kleinen Eiswürfel aus Johannisbeersirup in ihrem Glas, die in Herzförmchen gefroren waren und ganz langsam Farbe und Geschmack an den Sekt abgaben.
»Genau deswegen kann ich ihr einfach nichts übelnehmen«, flüsterte Anne und stieà mit Luise an.
Luise genoss es, mit den beiden am Küchentisch zu sitzen. Die Freundschaft zu Anne war seit Jahren so etwas wie eine Insel in den Wellen ihres Alltags. Ihre Verbundenheit hatte diverse Beziehungen überlebt, Umzüge überstanden, Jobwechsel, Moden und Haarfarben, sexuelle Präferenzen und politische Debatten. So vieles hatten sie gemeinsam durchgestanden, manchmal nebeneinander, manchmal in einiger Entfernung, allerdings immer in Sichtweite. Auch wenn Luise es schwierig fand, in ihrer Situation den Begriff Familie zu definieren, war sie in einem Punkt sicher: Egal was für sie Familie war â Anne würde immer zu ihrer dazugehören. Sie blickten sich an und lächelten. Wortlos. Es war Zeit für das Essen.
»Als Erstes gibt es einen Salat.« Sie legte letzte Hand an die drei vorbereiteten Teller, platzierte sie auf dem Tisch und beobachtete ihre Gäste. Sie selbst war zufrieden. Dünne Tranchen Entenbrust krönten ein Potpourri verschiedener dunkler Salatsorten. Das Fleisch schimmerte rosa im
Kern und war noch lauwarm. Wie von Zauberhand darüber verstreut glänzten rote Granatapfelkerne und bildeten einen perfekten Kontrast zu den dunkelgrünen Blättern. »Ich habe extra einen Balsamessig mit Granatapfel genommen. Ich glaube, der Salat ist ganz gut geworden.« Sie setzte sich. »Fangt an.«
Anne und Natascha aÃen schweigend. Ihnen dabei zuzuschauen reichte Luise als Kommentar, denn wenn Anne mit den Fingern die letzten Reste vom Teller klaubte und Natascha sich mit der Zunge immer wieder über die Lippen fuhr, obwohl dort schon lange keine Salatsauce mehr zu finden war, hatte es ihnen eindeutig geschmeckt. Auch mit dem nächsten Gang â Lachs mit Limettensauce und zweierlei Reis â waren die beiden mehr als zufrieden. Als Luise das Geschirr abräumte, regte Natascha noch an, vielleicht zwei oder drei kleine Tomaten auf den Teller zu legen.
»Dann hast du neben einem roten Farbklecks auch das Thema mit den runden Kleinigkeiten wieder mit drin.«
Luise nickte. »Gute Idee. Ich habe mir so viele Gedanken über eine Sauce gemacht, die auch noch hält, wenn ich nicht mehr da bin, dass ich darüber die Deko fast vergessen hätte.« Sie schrieb Cherrytomaten auf ihren inneren Notizblock und stand auf. »Und nun: der Abschluss.« Sie öffnete den Backofen, der mit der Restwärme des Hauptgangs dem Schokoladenkuchen, den sie bereits am Nachmittag gemacht hatte, wärmendes Quartier bot, während sie mit dem Fisch beschäftigt waren.
»O nein«, sagte Anne, die Ãhnliches bereits kannte. »Du willst uns umbringen.«
»Kaffee oder Tee dazu?«, fragte Luise lächelnd, weil sie wusste, dass sie mit diesem Kuchen garantiert hundert Punk
te machte. Dunkel, süà und genau so warm, dass die Schokolade in der Mitte beinahe flüssig war. Sie einigten sich auf Espresso, und Luise legte noch je ein Cantuccini auf die Untertassen.
»Wenn die Frau dabei nicht schwach wird â¦Â«, sagte Natascha und sah nach dem zweiten Kuchenstück mit ihrem verschmierten Schokomund rundum glücklich aus.
»Was hat er dir eigentlich von ihr erzählt?«, fragte Anne.
»Im Grunde nicht viel. Dass er sie kaum kennt. Dass er sie sehr attraktiv findet. Selbstbewusst, sogar ein bisschen einschüchternd. Und dass er nicht weiÃ, wie er auf sie zugehen soll. Sie hatten sich wohl mal über Essen unterhalten. Und nachdem er mich dann getroffen hatte, dachte er, das mit dem Kochen sei eine gute Möglichkeit, sie näher kennenzulernen. Er meinte, er will sie nicht überrumpeln.«
»Komisch. Einerseits sagt er, dass er sich nicht richtig an sie herantraut, aber so ein Essen bei ihm zu Hause sagt doch eigentlich genau das Gegenteil. Irgendwo
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