Essen mit Freunden - Roman
Küchenmaschine auf den Tisch gestellt und den halben Abend davorgesessen. Ihr Verstand fand die Kitchen Aid selbst als Leihgabe völlig übertrieben. Für das Herz der Köchin jedoch war sie wunderschön. Sie hatte versucht, ihre Gefühle und Gedanken zu ordnen, doch sie blieb hin und her gerissen zwischen Trotz und Freude, zwischen Skepsis und Dankbarkeit. Also hatte sie die Maschine vom Tisch auf die Arbeitsplatte geräumt, um sie auÃer Sicht zu schaffen, was es jedoch nicht besser machte. Widerwillig musste sie Markus recht geben: Sie war wie gemacht für diese Nische direkt neben dem Kühlschrank. Und vermutlich, so hatte sie sich kurz vor Mitternacht schlieÃlich eingestanden, würde pink zu ihrer zyklamfarbenen Wand tatsächlich noch ein klein bisschen besser passen.
Den Vanillezucker dazu, die Mandeln, eine Prise Salz. All die gewohnten Zutaten, Handbewegungen, Abläufe, und
doch war es diesmal anders. Sie gab etwas Mehl auf ihre Handflächen, nahm den Teig aus der Rührschüssel, legte ihn auf das Marmorbrett und formte Rollen daraus. Je beschäftigter ihre Hände waren, desto besser flossen ihre Gedanken. Sie dachte an ihre Mutter und Paul, wehmütig, traurig-froh. Sie dachte an Ole und fragte sich, was sie wirklich für ihn empfand. War es Begehren? Oder war ihr Gefühl etwas Unverbindlicheres? Etwas, was sich vor langer Zeit in ein dem Begehren ähnliches Kostüm gekleidet hatte und seither unter falschem Namen durch das Land ihrer Sehnsucht vagabundierte. Es Freundschaft zu nennen wäre wohl passender. Sie dachte wieder an ihre Mutter und Paul. An den Mut ihrer Mutter, ihre Bereitschaft, zu leben und glücklich zu sein. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Hatte Luise ihr nicht eine Postkarte geschickt: Das Leben will riskiert werden! Das war lange her. Sie fragte sich, wie mutig sie selbst war. Mit Essen mit Freunden hatte sie einen groÃen Schritt gewagt. Aber sonst?
Luise schob die Kekse in den Backofen, als das Telefon klingelte, und schaute zur Uhr. Zehn nach zwölf. Mittag. Zumindest war er pünktlich.
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»Wieso sind wir heute nur eine kleine Runde? Oder ist das auch ein Geheimnis?«, fragte Anne, nachdem sie Natascha den Stuhl zurechtgerückt und sich selbst an den Küchentisch gesetzt hatte. Ihre Stimme klang ein wenig provozierend, denn natürlich konnte Luise die Anwesenheit ihrer neuen Küchenhelferin nicht ganz unerklärt lassen, hatte aber jegliche tiefer gehende Frage nach Herkunft und Bleiberecht abgeblockt. Sie hatte Markus zwar kurz erwähnt â dieser Freund von Ole, du weiÃt schon â, hatte ihre Abneigung
bekräftigt â distanzlos, besserwisserisch, gönnerhaft â, war jedoch weiteren Erörterungen geschickt ausgewichen.
»Ihr seid zu zweit, weil es ein Essen für zwei sein soll«, antwortete Luise knapp und senkte den Blick. Sie spürte, wie Anne sie musterte, weil ihr vermutlich an der Nasenspitze anzusehen war, dass auch das nur die halbe Geschichte war. »Und weil ich nicht wissen will, ob Sybille findet, nur Austern seien das Wahre für solche Anlässe«, fuhr sie nach kurzer Ãberlegung fort. »AuÃerdem möchte ich nicht schon während der Vorspeise hören, was man bei einem Essen zu zweit mit der Sahne des Desserts alles machen kann.«
»Oder mit Honig«, ergänzte Anne.
»Honig? O nein!« Luise verdrehte die Augen.
»Als ich sie letzte Woche getroffen habe, hat sie davon geschwärmt, wie sehr sie durch dein Kochen inspiriert wird. Allein deine Ausführungen über die verschiedenen Chilisorten. Und das hat sie wohl darauf gebracht, neulich nach einem Essen mit ihrem Rechtsanwalt mit Honig und Ingwer zu experimentieren.«
»Genau das meine ich«, sagte Luise und verzog ihr Gesicht. »Aber mit Thorben wäre es auch nicht besser. Der würde sich wahrscheinlich nur dafür interessieren, warum ich keinen Spargel gemacht habe, und den ganzen Abend nachbohren, was es mit dessen aphrodisischen Wunderkräften auf sich hat.«
»Um so schöner, dass du statt der beiden mich eingeladen hast«, strahlte Natascha sie an. »Ich werde dir dann, auch ohne genaue Details zu verraten, erzählen, ob Anne nach dem Essen weich wie geschmolzene Butter war oder dieselbe Kratzbürste wie immer.«
»Danke!«, sagten Anne und Luise wie aus einem Munde, wobei Luises Unterton wesentlich freundlicher
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