Essen mit Freunden - Roman
du genauso wenig wie bei mir.« Und schon hatte sie aufgelegt.
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Ãberraschungen! Luise hasste Ãberraschungen. Beinahe genauso sehr wie Geburtstage. Zumindest ihre eigenen. Geburtstagsfeiern waren toll, wenn man sie für andere organisieren konnte. Die Torte zu backen und mit einem kleinen
schadenfrohen Lächeln wieder eine Kerze mehr in die Sahne zu stecken war ihr schon immer ein groÃes Vergnügen gewesen. Aber der eigene Geburtstag war etwas anderes. Sie überlegte, wann sie das letzte Mal ihren Geburtstag offiziell und groà gefeiert hatte. Sie konnte sich an lustige Partys in ihren Zwanzigern erinnern. In den DreiÃigern wurde sie mit ihren Feiern etwas zurückhaltender. Ihr waren nach und nach die Gründe ausgegangen, die aus dem Ãlterwerden ein Fest machen konnten. Vor ihrem vierzigsten Geburtstag hatte sie dann verkündet, dass sie diesen Tag am liebsten aus dem Kalender streichen wollte. Jörg hatte kurzerhand eine Reise zu zweit gebucht: eine Woche Wellness auf Sylt. Das hatte sie sehr süà gefunden â jedenfalls so lange, bis sie in der Hotelsauna war. Neben ihr hatten zwei Frauen Mitte zwanzig gesessen, die fröhlich miteinander plauderten, während der Schweià an ihren ebenmäÃigen Körpern hinunterlief. Glatte, zarte Haut und perfekte Brüste. Alles saà so, wie es sein sollte. Wie Luise meinte, dass es sitzen müsste. Sie hatte ihre Augen heimlich über die vier fremden Beine schweifen lassen. Pfirsichhaut und keine Orange. Luise hatte gemeint, im Augenwinkel einen Blick Jörgs in Richtung der zwei Schönen aufgefangen zu haben, und hatte sich seine Gedanken ausgemalt. Im Laufe der letzten Jahre schienen Luises Proportionen etwas verrutscht zu sein. Die Schultern kamen ihr immer spitzer vor, der Bauch hingegen, der nie ein Problem gewesen war, zeigte plötzlich eine kleine Rundung, deren Ursprung sie sich nicht erklären konnte. Jörg hatte zwar immer gesagt, dass ihr Körper dafür, dass sie sich so beharrlich weigerte, Sport zu treiben, wirklich noch gut aussah, aber getröstet hatte sie das nicht. Im Gegenteil: Das noch und das dafür, dass hatten Widerhaken. Komplimente
dieser Art klangen, als beinhalteten sie eine Drohung, eine Einschränkung. Ein Haltbarkeitsdatum. Luise hatte überlegt, dass sie früher vermutlich selbst so glatt und richtig ausgesehen hatte wie diese jungen Frauen. Und als sie sich in einem Anflug von Geburtstagsdepression eingestand, dass sie zu viel Zeit damit verbracht hatte, ihren Körper kritisch zu beäugen, anstatt sich an ihm zu freuen und sich beherzt und genussvoll ins Leben zu werfen, hätte sie über ihre frühere Blindheit laut schreien können. Wie viele dieser seltenen, kostbaren Momente hatte es gegeben, in denen sie sich nicht betrachtet und bewertet hatte, sondern einfach nur war ? Gedankenlos glücklich. Was denn sei, hatte Jörg wissen wollen, als sie mit Tränen in den Augen ihr Handtuch ergriffen hatte, um aus der Sauna zu flüchten. Der Kreislauf, war ihre Antwort gewesen, weiter nichts. Die Wahrheit hätte er nicht verstanden.
Nach diesem Vierzigsten hatte Luise gar nicht mehr gefeiert. Eine Shoppingtour mit Sybille am Tag der Tage, ein Essen mit Anne, ein Kaffeetrinken mit Thorben, sonst nichts. Alles wie immer. Damit war sie die letzten Jahre gut gefahren, und daran wollte sie auch nun an ihrem Sechsundvierzigsten nichts ändern. Kein Tamtam, keine Party. Höchstens ein kleines Essen im engen Kreis mit rücksichtsvollen und sensiblen Freunden. Nur sah es leider so aus, als träfen diese beiden Adjektive an diesem Geburtstag nicht auf ihre engsten Freunde zu.
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»Los, komm, zieh dich an. Jacke, Sonnenbrille, Salat«, rief Anne, kaum dass sie die Wohnung betreten hatte. »Und nicht zu vergessen: Herzlichen Glückwunsch.« Sie nahm Luise, die entgeistert im Flur stehengeblieben war, in den Arm und
drückte sie herzlich. Dann stürmte sie weiter in die Küche. »Hast du deine Sachen noch gar nicht zusammengepackt? Oder hat Sybille dir nicht gesagt, dass ich nur komme, um dich abzuholen?«
»Nichts hat sie gesagt. BloÃ, dass ich mir halb vier merken soll. Und dass ich euch gar nicht zu fragen brauche, weil auch ihr mir nichts verratet.«
»Na prima«, seufzte Anne und sah sich um. »Aber dies ist ja glücklicherweise ein Haushalt, in dem der Transport von Nahrungsmitteln kein Problem
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