Essen mit Freunden - Roman
schwarzer Tinte und in groÃen Lettern das Wort Angeber in ihre Gedanken geschrieben, doch sie war so verwirrt, dass ihr selbst das nicht gelang. Eine Kitchen Aid in Weinrot. Nie hätte sie offen zugegeben, wie lange sie schon um genau diese Küchenmaschine herumgeschlichen war, noch bevor sie auf die Idee kam, für andere zu kochen. Sie sah einfach zu schön aus â und sie war viel zu teuer. »Wieso?«, stammelte sie.
Ole zuckte mit den Schultern. »Er ist so.«
»Aber â¦Â« Sie fand keinen Anfang für die Kette von Abers, an der sie sich in ihrem Hirn versuchte entlangzuhangeln, um wieder festen Boden unter den FüÃen zu bekommen.
»Er kocht gern. Er isst gern. Er war neulich hier, nachdem du mir die Tortilla-Wraps mit Thunfisch mitgegeben hattest. Er fand sie gut. Genauso wie den Dattel-Balsam, den du Judith geschenkt hattest, und deine Espresso-Karamell-Ecken an Weihnachten, die mit dem Blattgold obendrauf. Davon habe ich kaum eine gesehen, weil er heimlich beinahe die ganze Tüte allein gegessen hat.«
»Aber â¦Â«
»Er findet, dass nicht nur Essen mit Freunden Erfolg verdient hat, sondern du. Er hat dich doch erlebt, damals, nach dem Streit mit der Berg. Du hast ihm leidgetan.«
»Also aus Mitleid«, presste sie hervor, und ihr Ton wurde bissiger. Dies war der Anfang einer Gedankenkette, bei der sie sich in Bezug auf Markus besser auskannte. Der Federhalter in ihrem Kopf setzte an, ein GÃNNERHAFT zu schreiben, fett und in Druckbuchstaben.
»Luise, bitte. Markus ist wirklich so. Er nimmt sich, was er braucht, und er gibt, wenn er will. Nicht aus Höflichkeit, nicht aus Kalkül oder weil man es von ihm erwartet. Manche stöÃt das vor den Kopf, aber ich kenne keine ehrlichere Haut als ihn. Genau das ist der Grund, warum wir schon so lange befreundet sind.«
Sie schwiegen. Aus dem Spielzimmer war das Schreien der Kinder zu hören, die sich um etwas stritten, das Mähbäh hieÃ.
»Ich glaub, ich geh mal kurz â« Sie deutete in Richtung Toilette und verschwand. Nachdem sie die Tür geschlossen
hatte, drehte sie den Hahn auf, lieà sich kaltes Wasser über die Handgelenke laufen und blickte in den Spiegel. Sie versuchte, endlich etwas zu Ende denken zu können, doch in ihrem Kopf waren bloà Fetzen, die keinen Sinn ergaben: Nur eine Leihgabe. Vielleicht eine Erleichterung. Du hast ihm leidgetan. So ein Blödmann! ⦠Leider ist sie nicht pink. Pink nicht, aber weinrot. So wunderschön weinrot ⦠werte ich das als Aufforderung, dass ich sie Dir persönlich vorbeibringen soll  ⦠Ging es noch selbstgefälliger? Er stöÃt viele vor den Kopf, aber er ist die ehrlichste Haut, die ich kenne. Nimm sie bitte mit. Was sollte das? Warum machte er das? Nimm sie bitte. Wenn sie es täte, würde er sich nur noch mehr aufspielen. Nimm sie. Hatte sie sich nicht schon immer diese Maschine gewünscht? In genau diesem Farbton? Mit einem original Planetenrührwerk?
Nimm sie!
Sie drehte das Wasser ab und trocknete ihre Hände.
»Also: Keine Verpflichtungen?«, sagte sie, als sie wieder neben Ole stand.
Er schüttelte den Kopf. »Keine Verpflichtungen.«
»Gut, dann nehme ich sie mit.«
âGranatapfel
Sie trennte die Eier und stellte das Eigelb zur Seite. Dann senkte sie das Planetenrührwerk in das EiweiÃ, schaltete die Maschine an und sah zu, wie der groÃe Quirl die durchsichtige Masse langsam zu einem weiÃen Wolkenberg schlug. Das Summen hatte etwas Beruhigendes, und während sie
die anderen Zutaten abwog, überlegte sie, wie lange sie dieses Ritual nicht mehr vollzogen hatte. Cantuccini. Anfang Dezember hatte sie gekündigt. Fast fünf Monate war das nun her. So viel war zwischenzeitlich passiert, und ihr Vorrat an Keksen war aufgebraucht. Ãberrascht bemerkte sie, dass sie nichts vermisste, wenn sie den Mixer nicht selbst in der Hand hielt, sondern dass sie es im Gegenteil genoss, ihrer weinroten Helferin über die Metallschulter zu schauen. Es war Meditation, trotzdem, immer noch. Ihr fiel ein Zen-Spruch ein: »Meister, was kommt vor der Erleuchtung? Wasserholen und Holzhacken. Meister, was kommt nach der Erleuchtung? Wasserholen und Holzhacken.« Die Kitchen Aid war vielleicht ihre Art von Erleuchtung, obwohl es vorher und auch jetzt nur um Kekse ging.
Nachdem Luise gestern nach Hause gekommen war, hatte sie die
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