Essen statt stressen
und makellos sind – mit Hilfe von Bildern, die am Computer manipuliert wurden.«
Psychoanalytikerin Susie Orbach in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung
»Weil Schönheit viele Gesichter hat, startet Brigitte die Initiative ›Ohne Models‹«: Mit dieser bemerkenswerten Kampagne überraschte das Frauenmagazin vor einiger Zeit seine Leserinnen. Seither wurden Fotostrecken für Brigitte nicht mehr mit professionellen Models fotografiert, sondern »mit Frauen wie Ihnen und uns«, beschloss die Leitung der Hamburger Frauenzeitschrift – eine Sensation in dieser Branche. Die Brigitte , so wurde bekannt gegeben, will künftig auf professionelle Models verzichten, weil diese immer dünner würden, und die Chefredakteure wollten diesen kranken Trend nicht weiter fördern. Für Fotoproduktionen soll nur noch »die Frau von der Straße« gebucht werden. Es folgte ein lauter Aufschrei in der Modebranche: Man stelle sich Yves-Saint-Laurent-Kleider in Größe 44 vor! Gibt es Chanel-Blusen
überhaupt in Normalgrößen? Was wohl der spindeldürre Karl Lagerfeld sagt, wenn seine Designerhöschen an wohlgeformten Hüften statt an spitzen Knochen Halt finden?
Sieht man sich die Laufstegschauen an, könnte man am guten Geschmack der Branche zweifeln. Auf den Modeschauen in Mailand und Paris lässt sich das Magersuchtphänomen immer wieder bestaunen: Dürre Mädchen staksen in teuren Klamotten über den Laufsteg. Ohne Po, Hüften oder Busen. »Runde Frauen«, ätzte Designer Lagerfeld, »wolle da niemand sehen.« Bei der London Fashion Week kam es einmal sogar zum Eklat. Denn ein Stylist und Laufstegtrainer reichte drei Tage vor der Modenschau überstürzt die Kündigung ein. Der Grund: Der Designer der Modemarke hatte es gewagt, zwei Models mit Kleidergrößen 40 und 42 zu bestellen. Der Stylist fand diese Normalgrößen viel zu füllig und quittierte lieber den Job, als sich mit gesunden Körpern zu befassen. Bringt das nun den von Publikum und Käuferinnen lang ersehnten Wechsel in der Modewelt? Es geht hier nicht um »Mode für Mollige« oder Kleidergrößen ab 44. Die Modewelt diskutiert, ob man anstelle einer Hungerhaken-Größe 34 auf die immer noch sehr schlanken Kleidergrößen 36 bis 38 setzen sollte.
Die britische Vogue verbannte als erste Modezeitschrift Magermodels aus ihrem Heft. Damals wurden die Briten noch von weiten Teilen der Modebranche belächelt. Überraschender Hintergrund des Sinneswandels: Die Leserinnen der britischen Vogue -Ausgabe forderten vehement eine Abkehr vom Schlankheitswahn. Andreas Lebert, Chefredakteur der deutschen Brigitte , schloss sich dem Trend dann an: »Natürlich haben auch wir die Beobachtung gemacht, dass die Mädchen auf den Laufstegen konsequent immer dünner wurden. Als wenn sie irgendwie verschwinden wollten. Wir mussten gebuchte Models für die Fotostrecken mit
Bildbearbeitung am Computer ›dicker‹ machen. Das geht komplett an der Wirklichkeit und unseren Leserinnen vorbei.« Und das Dickermachen sieht in der Praxis so aus: Mit der neuesten Bildbearbeitungssoftware polstert der Grafiker zu knochige Dekolletés auf, klebt etwas Speck auf die Hüfte oder bläst den Busen digital auf, bis die an den dürren Models hängenden Kleider mit prallem Leben gefüllt sind. Brigitte -Chef Lebert freut sich über den Paradigmenwechsel: »Auf uns kommt eine Generation von Frauen zu, die den ewigen ›Selbstzweifel-Virus‹ aus ihrer DNA gestrichen haben. Besonders die ganz jungen Frauen wollen die seltsame Künstlichkeit der Modewelt nicht mehr. Sie gehen dazu deutlich auf Distanz«, so der Hamburger Journalist. Flankiert wird der ästhetische Wandel übrigens auch von ganz aktuellen medizinischen Erkenntnissen.
Freispruch für den Hüftspeck
»Man ist niemals zu schwer für seine Größe, aber man ist oft zu klein für sein Gewicht.«
Der Schauspieler Gert Fröbe (1913–1988)
»Ein gemütliches kleines Bäuchlein ist gesund. Wer seinen Rettungsring und das Hüftgold pflegt, kann sich entspannt zurücklehnen und auch weiterhin herzhaft zubeißen«, schrieb die Süddeutsche Zeitung einst. Der Tenor des Berichts über das Pseudoproblem Übergewicht: Wenn’s nur einige Kilogramm sind, sei das doch kein ernsthaftes Problem. Die sensationelle Botschaft von Ärzten und Forschern: Menschen mit leichtem bis mittlerem Übergewicht leben länger und werden seltener krank als ihre dürren
Zeitgenossen. Leichtes Übergewicht sei aus ärztlicher Sicht sogar der Idealzustand, daher
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