Essenz: Band 1 [Das Blut der Götter] (German Edition)
erschöpft…?“
Mr. Flint warf ihr einen überraschten Blick zu,
wischte über die Stirn und nickte.
„Alles in Ordnung, Miss. Vielen Dank. Es ist nur eine
leichte Grippe, die mir noch in den Gliedern steckt. Machen Sie sich bitte
keine Gedanken.“
Nika sah Daniel an. Wenn ihm nichts aufgefallen war, dann
ging es Mr. Flint sicher gut. Oder nicht?
Daniel traf die Entscheidung, indem er ihre Hand nahm
und sie aus Flints Geschäft zog. Was ein Glück war, denn in dem Augenblick, als
seine Finger ihre berührten, schlug wieder eine Scud in ihr Gehirn. Und wieder
verursachte sie einen Systemabsturz, so dass Nika kaum noch wusste, wo sich
überhaupt der Ausgang befand.
Vor dem Antiquitätengeschäft staute es sich. Zum
einen, weil das Elfenauto - quer über die Straße und halb auf dem Bürgersteig
geparkt - eine Fahrspur blockierte. Zum anderen, weil ein schwarzer BMW frontal
vor dem Aston Martin stand und ihn auf diese Weise blockierte. Was die coole
Elfe nicht störte. Teresa lehnte an der Fahrertür und telefonierte, ohne auch
nur im Geringsten die Autofahrer zu beachten, die ein Hupkonzert
veranstalteten. Nika war überrascht über das Chaos. Nie im Leben hätte sie
vermutete, dass so viel Verkehr durch diese bedeutungslose, kleine Straße
floss.
Daniel ließ ihre Hand los. Der Bus, der hinter dem BMW
stand, scherte aus und fuhr über die Gegenspur an dem Wagen vorbei, so nah,
dass er beinahe das Rücklicht streifte. Aber weder Daniel noch seine Schwester
gerieten in Stress. Teresa beendete ihr Gespräch und steckte ihr iPhone ein.
Daniel stand da und sah Nika an.
„Die Steine müssen noch geweiht werden. Ich bringe dir
das Amulett, sobald es fertig ist.“
Sie nickte. Ihre Hand hing wie überflüssig an ihrem
Körper herunter. Als hätte sie ihren Daseinszweck verloren, nur weil Daniel sie
losließ.
„Toll. Danke, Daniel.“
Er tauschte einen kurzen Blick mit seiner Schwester,
während er schon zur Fahrertür seines Wagens ging und ohne ein weiteres Wort
einstieg. Nika zwang sich, dem BMW nicht nachzustarren, während sie auf der
Beifahrerseite des Aston Martins einstieg. „Ich hätte gedacht, dass Daniel der
Typ ist, der ordnungsgemäß parkt.“
„Ja. Was war da drinnen los?“
„Was soll los gewesen sein? Nichts.“ Nika drehte das
Radio an. Im Gegensatz zu der Kinoversion der James-Bond-Kiste war Teresas
Wagen nicht mit High-Tech ausgestattet. Die Lüftung pustete Frost herein, und
es gab nicht einmal einen CD-Wechsler, geschweige denn irgendeine Schnittstelle
für MP3s oder irgendwas.
„Worüber war Daniel angepisst?“
„Was?“ Nika gab die Suche nach einem guten Radiosender
auf und schaltete wieder ab. Das Hupkonzert draußen übertönte die Musik
sowieso. Aber die Leute beruhigten sich langsam und der Lärm ließ nach. „Daniel
war nicht angepisst.“
„Doch, war er.“
„Also, mir ist nichts aufgefallen. Im Gegenteil, er
war freundlich und höflich wie immer.“ Ein bisschen wortkarg vielleicht, aber
so war er eben. Zumindest zu Nika.
Zehn
Daniels Kaumuskeln verkrampften, wann immer er an
Flint dachte, und das geschah beinahe ununterbrochen. Ein extrem erhöhter
Hormonausstoß setzte ihm deshalb in Form törichter Regungen zu. Als schäumende
Wut etwa, die ihresgleichen suchte.
Ein Menschenleben zu opfern, hatte ihn offensichtlich
aus dem Gleichgewicht gebracht. Daniel erkannte sich selbst nicht wieder. Er
hatte jegliche Distanz verloren. Zu allem.
Natürlich galt es, Nikas Sicherheit zu gewährleisten.
Vor Mördern. Und selbstverständlich auch vor
Anzüglichkeiten, gleichgültig welcher Art. Sogar, wenn sie nur in den Köpfen
phantasiebegabter Lustgreise stattfanden, denn offensichtlich enthielten sie
Demütigung und Gewalt.
Soeben schaltete die Ampel auf Rot. Daniel
beschleunigte und fuhr über die Kreuzung. Regelte die Stadtverwaltung von
London die Ampelschaltung absichtlich so? Sie behinderte definitiv den
Verkehrsfluss.
Daniel war sich immer darüber im Klaren gewesen, was
Flint über Julian und ihn dachte, allerdings hatten weder Julian noch er
irgendetwas darauf gegeben.
Wieder eine rote Ampel. Blöder, seniler Penner.
Daniel trat wieder auf das Gaspedal, bemüht, etwas zu
finden, was ihn vom Kopfkino des abartigen Alten hätte ablenken können. Leider
fiel ihm absolut nichts ein. Nichts. Gar nichts! Nur Flint in seinem Kopf. Und
das Dröhnen seines eigenen Herzschlags.
Als er das Haus seiner Eltern in Mayfair erreichte,
parkte Daniel den
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