Essenz: Band 1 [Das Blut der Götter] (German Edition)
kommen und
ihre Hände schützend über das nutzlose Engelskind halten.
„Wer passt auf Jonah und Maddie auf?“
Teresa streckte die Hand aus und ihr Mickey-Mouse-
Spender materialisierte sich darin.
„Dad. Die anderen werden alle hier sein. Mom, Daniel, Tristan, Bethanny, Cate. Dazu natürlich dein Vater und ich. Sogar Schwager
James wird da sein, vorsichtshalber mit Amulett. Oh, und Baptiste hat sich
angekündigt.“
Baptiste. Der Freund der Voodoohexe.
„Warte bei Tristan. Ich checke das Gebäude lieber
gründlich.“ Teresa schob sich ein Bonbon in den Mund und verschwand.
Nika sah zu Tristan, der neben der provisorischen Tür
des Baustellentanzsaals stand und gerade einen Gegenstand in die Hosentasche
seines nachtblauen Samtsmokings schob, der schwer nach Telefon aussah.
Sie hob Gwens Kleid mit den Fingerspitzen an und
trippelte vorsichtig zu ihm hinüber. Die rosa Westwood-Krokodile an ihren Füßen
waren sagenhaft, aber ungewohnt hoch, wenn man sonst nie Absätze trug. Wenn
Nika daran gedacht hätte, ihre Tasche mitzunehmen, die so viele nützliche Dinge
enthielt, dann hätte sie die High Heels gegen ein paar Sneaker austauschen
können. Zumindest für eine Weile.
„Jetzt sag bloß, du brichst die Regeln und beamst
fröhlich mit deinem Smartphone durch die Gegend?“, fragte sie.
„Sind nur ein paar Meilen bis London. Unbedenklicher
Radius.“ Tristan strubbelte mit den Fingern durch seine Haare. Sie waren von
gleichem Surferblond wie Daniels, allerdings ohne erkennbaren Haarschnitt, was
pure Absicht war.
„Wie sehe ich aus?“ Er strahlte.
„So wie immer.“
Die Brüder sahen sich verblüffend ähnlich, nur das
Tristans Augen blau waren und sein ebenmäßiges Gesicht zuletzt schon wieder
eine Begegnung mit irgendeiner Faust gehabt haben musste. Üblicherweise vergaß
Tristan, solche Verletzungen zu richten. Nika berührte sein verbeultes
Nasenbein vorsichtig.
„Wann wirst du wohl erwachsen?“, fragte sie.
„Das bin ich doch. Sonst wäre der Andere liegen
geblieben, statt nach Hause zu gehen.“
„Tapfer, Tristan.“
„Das bin ich. Nur weil meine Knochen schneller heilen,
bin ich noch lange nicht unempfindlich gegen Schmerz.“
„Weshalb hast du deine Nase dann hingehalten?“
„Weil der Arsch eine Dame belästigt hat.“
„Oh!“ Nika zog die Augenbrauen hoch. „Ist Flora…?“
„Nein.“ Tristan ließ den Kopf hängen. „Nicht Flora.“
„Dann herrscht immer noch Funkstille?“
„Total.“
„Das tut mir leid.“ Nika verstand absolut, wie es ihm
ging. Ähnlich wie sie selbst hatte auch Flora, die vierte Sterbliche aus der
Gemeinschaft der Engelsblüter, das Weite gesucht. Nur wusste niemand genau,
weshalb. Aber jeder hatte so seine Idee dazu. „Ist sie noch in Mumbai?“
„Ja. Sie stampft ein zweites Krankenhaus aus dem
giftigen Lehm. Schwer beschäftigt, also.“
„Vielleicht macht sie das alles nur, um sich
abzulenken. Schon mal drüber nachgedacht?“ Nika wusste, was man so tat, um
seiner Hoffnungslosigkeit zu entkommen.
„Sie könnte einfach zurückkommen, Nikki.“
„Du könntest sie darum bitten, Schlaumeier.“ Sie kniff
in seine verbogene Nase. Tristan brummte. Er straffte die Schultern, atmete
durch und grinste.
„Jetzt mal Hand aufs Herz! Schlaumeier sehen anders
aus, oder?“ Seine Augen funkelten, so wie meistens. Nika musste lachen, und er
stimmt ein. Sein Blick blieb an einem Punkt irgendwo hinter ihr hängen. Er hob
die Hand und winkte kurz.
Nika drehte sich um und folgte seinem Blick, bis sie
Daniel in der Tür stehen sah. Seine Hände steckten in den Taschen seines
schwarzen Anzugs. Er lehnte mit der Schulter an der Kante der rohen Wand, da,
wo bei einem fertigen Gebäude ein Türrahmen gewesen wäre.
Weder lächelte Daniel, noch sah er wütend aus, oder
irgendetwas dazwischen. Seine Miene war völlig ausdruckslos, als er sich
umdrehte und wortlos ging.
In dieser Bruchbude gab es keinen einzigen Heizkörper,
oder? Und das Schiaparelli-Kleid war kein Wintermantel.
Während Daniel unbeirrt um die Ecke bog und aus ihrem
Blickfeld verschwand, sah sie ihn die Hände heben, so wie man es tat, wenn man
nicht weiter belästigt werden wollte.
Tristan seufzte.
„Er hat mir von eurem Gespräch erzählt. Hat ihn
ziemlich umgehauen, wie cool du das Ganze genommen hast.“
Nika senkte den Kopf.
Teresa tauchte auf. Sie grinste fröhlich, während sie
sich die Hände rieb.
„Keine beunruhigenden Vorkommnisse bisher.“
Das war Nika
Weitere Kostenlose Bücher