Esswood House
Spielsachen aus »Vorwurf« gefunden.
Die unbekannte Treppe führte ihn an Reihe um Reihe von Weinflaschen in hohen, Bücherschränken gleichen Regalen vorbei und verwandelte sich schließlich in eine breite, hübsche Stufenflucht mit einem Geländer aus Onyx, die ihn wiederum direkt in den prachtvollen Ostsaal brachte.
Das Frühstück war auf einem frischen weißen Tischtuch angerichtet. Standish setzte sich und hob die goldene Haube. Der braune, geräucherte Leichnam eines Fischs sah ihn mit leeren, toten Augen an. Er war zu hungrig, um nichts zu essen, und versuchte sich zu vergegenwärtigen, wie Robert Wall das Fleisch von der Reihe weißer Gräten gelöst hatte. Er bohrte die Gabel in einen grauen, klebrigen Glibber, der so haarig wie eine Raupe aussah. Er führte die Paste zum Mund und biß auf ein Nadelkissen. Kleine spitze Gräten pieksten jeden Quadratzentimeter seines Gaumens und seiner Zunge. Andere dünne Knochen schoben sich zwischen seine Zähne. Er spuckte alles auf den goldenen Teller.
KAPITEL ELF
Wenig später saß er voll Toast und Orangensaft wieder in der Bibliothek. Ein paar winzige Gräten steckten noch zwischen seinen Zähnen, und er drückte sie unter den Augen des Ur-Ur-Ur-Urgroßvaters und des zeigenden Gottes eine nach der anderen mit der Zunge heraus, während er Anmerkungen auf einem der Notizblöcke machte. Wenn es wirklich keine Versehen und Zufälle im Universum gibt, ist Narration überflüssig, weil alles gleichzeitig geschieht. Hier zu sein bedeutet, in Isobels Gedichten zu sein, im wortwörtlichen und im metaphorischen Sinn, denn eine Welt ohne Zufall ist eine Welt ohne Metaphern oder eine Welt ausschließlich aus Metaphern. Schlüssel zu den Nonsensgedichten. Syntax als einzige Quelle von Sinn.
Frage: Spielzeug, Puppen, Betten usw., von Isobel gesehen, und in »Vorwurf« geschildert. Was geschah mit den Kindern, die sie benutzten? Wie viele waren es? Warum »zerbrochen«?
Muß Seneschals nach Geschwistern fragen.
Könnte das »Geheimnis« eine Familienkrankheit sein?
Standish dachte einen Moment nach und schrieb dann noch eine Zeile.
Auf dem Friedhof recherchieren?
Er sah einen Moment auf den Notizblock hinab, dann riß er das Blatt ab und schrieb ein paar Worte auf das nächste. Auch das riß er ab, ging damit zur Bibliothekstür und legte es auf den Teppich. Als er zum Schreibtisch zurückkehrte, betrachtete er seine Schutzpatrone und kam zum Ergebnis, daß er für diesen Morgen genug Gedichte gelesen hatte. B. P. wollte er lesen, und es war gewiß besser, seinen Instinkten zu folgen, anstatt sich an einen starren Zeitplan zu halten.
Mit einem glücklichen Seufzen legte er die Gedichte beiseite und zog das umfangreichere Prosamanuskript zu sich heran. Er las ab Seite 26, wo er vergangene Nacht aufgehört hatte. An die vierzig Minuten wand sich Isobels Handschrift vor ihm auf der Seite. Dann bestand die Zeit plötzlich nicht mehr aus einer linearen Abfolge von Ereignissen, und Standish betrat zusammen mit Isobel das Land.
Die junge Frau aus Massachusetts verliebte sich von Tag zu Tag mehr in das Haus. Ein glücklicher Zufall führte dazu, daß sie in Boston ihre Gastgeberin, die bekannte Kunstmäzenin E., kennenlernte; als E. darum bat, ob sie die Werke der jungen Frau lesen dürfte - und beeindruckt war von, wie sie sich ausdrückte, »Kühnheit« und »Mut« -, lud sie ihre neue Freundin auf ihr Anwesen ein. Daher verspürte die junge Frau anfangs Dankbarkeit gegenüber E., doch das Tempo, mit dem sie schrieb, als sie mit dem Land bekannt gemacht worden war, heizte diese Emotion schließlich zu Liebe an. Sie brachte Prosa und Gedichte so mühelos wie noch niemals zuvor in ihrem Leben zu Papier und fand mit jedem Tag mehr zu ihrer eigenen Stimme. Nach abendlichen Lesungen in der Westgalerie erhielt sie Lob und Beifall von Schriftstellern, die sie bis dahin bestenfalls als hochgeschätzte Namen gekannt hatte. Von diesen Reaktionen ermutigt, tilgte sie aus ihren eigenen Werken fast alles, das sie als Werke ihrer Zeit ausgewiesen hätte.
Das ist mein Mädchen, dachte Standish.
Die junge Frau aus Massachusetts schrieb vormittags in den Springbrunnenzimmern, nahm das Mittagessen mit E. und den anderen Gästen ein und schlenderte nachmittags durch das Land. Die materielle Welt rings um die junge Frau herum versetzte sie zuzeiten in eine an Euphorie grenzende Begeisterung - sie hatte noch nie längere Zeit an einem Ort verbracht, der so schön war wie das Land; und sie
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