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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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und Bemerkungen murmelten, die er nicht verstehen mußte, um zu wissen, daß sie obszöner Natur waren. Der Ort war grau, schmutzig, unscheinbar. Er fuhr an ausgezehrten Männern in schäbiger Kleidung vorbei, die ihm finstere Blicke zuwarfen. Übergewichtige Frauen mit hochgestecktem Haar und knallroten Gesichtern spähten in sein Auto. Lag es an ihm? Lag es an dem Auto? Dann wichen die häßlichen kleinen Süßwaren- und Tabakläden so plötzlich, wie die Schlackehalden und Fackeln in dichten Wald übergegangen waren, offenen Feldern und einsamen, weit entfernten Mooren.
    Nach einer langen Zeit, in der er vermutlich im Kreis fuhr, sah er an einer Kreuzung einen knapp zwei Meter hohen Haufen Gras und Erde, aus dem dichtes Wurzelgeflecht ragte, und erinnerte sich, daß einer der Männer vor dem Pub ihm gesagt hatte, er solle an einem »Hügel« in die eine oder andere Richtung abbiegen. Vielleicht war das ein Hügel. Weit entfernt stand ein Farmhaus. Zwei Pferde mit durchhängenden Rücken beobachteten ihn mürrisch aus mittlerer Entfernung. Standish drehte sich nach links und sah auf der anderen Seite des Hügels eine Anhöhe, die zu einer kleinen Kirche aus grauem Stein und einem Friedhof mit windschiefen Grabsteinen dahinter hinauf führte. Auf der Kuppe der Anhöhe hinter der Kirche stand die vertraute bienenstockförmige Windmühle, die er schon früher gesehen hatte. Standish hätte zu Fuß über das höhere Feld zu der Kirche gehen können.
    Er hielt im feuchten Gras vor der Kirche, stieg aus dem Auto und ging zum Friedhof.
    Auf der anderen Seite der Kirche stand ein kleineres, noch häßlicheres Gebäude aus Stein, einer Zelle mit Gardinen an den Fenstern gleich. Standish ging zwischen den Gebäuden hindurch zum Friedhofstor.
    Der Friedhof, den ein hüfthoher Zaun umgab, umfaßte rund einen Morgen Hangland mit mehreren hundert Gräbern. Die ältesten Grabsteine unmittelbar vor Standish erinnerten an runzlige alte Gesichter, eingesunken und verschwommen unter einem Muster von Schatten und Kratzern. Standish ging ZUR Mitte des Friedhofs hinab. Keiner der Steine trug den Namen Seneschal. Er sah andere Namen, die sich ständig wiederholten - Totsworth, Beckley, Sedge, Cooper, Titterington. Er schritt weiter langsam durch den Friedhof.
    Eine Tür fiel hinter ihm ins Schloß; und jemand kam zwischen den Gräbern auf ihn zu. Standish richtete sich auf, drehte sich um und sah einen schwarzhaarigen Mann in einer langen, zugeknöpften Soutane, der mit einer erhobenen Hand näherkam, als wollte er einen Verkehrsstrom anhalten. Das vierschrötige rote Gesicht des Vikars wirkte so straff wie in einem heftigen Wind, ein Eindruck, der durch die Art, wie er sich nach vorn beugte und den Kopf schief legte, während er auf Standish zukam, noch verstärkt wurde.
    »Ich muß schon sagen, ich muß schon sagen.«
    Standish wartete, bis der Mann ihn eingeholt hatte.
    Aus der Nähe präsentierte der Vikar ein herzliches, lächelndes Gebaren, das eine Maske für ein anderes, einschüchternderes Benehmen zu sein schien. Er war Ende fünfzig. Der Geruch von Bier und Tabak hüllte Standish ein, als der Mann näherkam. Er sprach im abgehackten Akzent des Dorfes. »Hab Sie im Pfarrhaus gesehen. Kommen nicht viele Fremde hierher, man gewöhnt sich nicht an fremde Gesichter.« Ein breites gelbes Lächeln in dem roten Gesicht, wie als Ausgleich für etwas, das man sonst für schlichte Unhöflichkeit hätte halten können. »Amerikaner, richtig? Ihre Kleidung.«
    Standish nickte.
    »An unserer prächtigen normannischen Kirche interessiert? Sie können sich gern im Inneren umsehen, aber es macht mich ein kleines bißchen nervös, wenn ein Mann, den ich nicht kenne, durch unseren kleinen, ähem, unseren kleinen Garten der Seelen hier geht, das scheint mir ungebührlich, verstehen Sie. Ungebührlich.«
    »Warum?«
    Der Vikar blinzelte und ließ Standish sein falsches Lächeln sehen. »Sie finden unsere Gepflogenheiten vielleicht seltsam, aber wir sind nur eine winzigkleine Gemeinde, wissen Sie. Sie haben auf der Durchreise kurz angehalten, richtig?«
    »Nein.« Der Vikar erzürnte Standish so über die Maßen, daß er es kaum über sich bringen konnte, mit dem Mann zu reden.
    »Sind Sie den weiten Weg gekommen, um Gräber zu plündern? Wir haben nichts, das Sie diesbezüglich interessieren könnte.«
    Standish sah den Vikar stirnrunzelnd an. »Ich wohne bei einer hiesigen Familie und wollte wissen, ob ich welche ihrer Vorfahren hier finden kann.

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