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Esther Friesner

Titel: Esther Friesner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Katze läßt das Zaubern nicht
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zwischen dem Eintreffen der königlichen Nachricht und Zoltans Auffressen des Boten. Ich muß sagen, für diesen jungen Mann habe ich nicht sehr viel übrig, Kendar. Ich hoffe, er ist kein allzu enger Freund von dir.
    Obwohl ich gerechterweise sagen muß, daß er mir eine gewaltige Hilfe dabei war, die Dorfkinder dazu zu bringen, das Ständchen auswendigzulernen, das ich für König Steffan geschrieben habe.«
    »Du hast ein Lied geschrieben, Mama?«
    »Ach, das ist nichts, überhaupt nichts!« Mama versuchte, bescheiden dreinzublicken, aber es war ihr doch anzumerken, daß sie sehr stolz auf sich war.
    Die Plattform war fertig, der große Sessel hinaufgeschoben, und ein paar Pferdedecken, die man aus den Stallungen gezerrt hatte, verbargen das rohe Holz. Es war nichts Großartiges, aber wie Mama schon sagte, es mußte eben genügen. Thorgit hatte inzwischen ein blaues Auge und benutzte das andere dazu, Mysti giftige Blicke zuzuwerfen, die mit verschränkten Armen ungerührt auf ihrem Teppich saß.
    König Steffan betrat die Plattform mit Hilfe mehrerer Käseburger, die sich auf alle viere niederließen, um den königlichen Füßen als menschliche Treppe zu dienen. Er hatte noch immer Scandal im Arm.
    Scandal … Ich hatte ein Gefühl, als hätte mir jemand gerade in die Magengrube gehauen. Wenn all das vorbei ist, wird Scandal mit dem Konig weggehen. Er wird alle seine Leben im Luxus des königlichen Palasts von Gladderadatsch zubringen, und ich werde ihn nie Wiedersehen. Meine Augen fingen an zu brennen. Ich versuchte damit aufzuhören, mich so dämlich anzustellen. Schließlich war es ja nicht wie damals, als ich glaubte, er sei beim Sturz von dem fliegenden Teppich umgekommen. Er würde wenigstens am Leben sein, man würde ihn hätscheln und pflegen, er würde noch viel verwöhnter werden, als er ohnehin schon war, er würde alles haben, was sein Herz begehrte …
    Er würde mich nicht mehr brauchen.
    Ich war so unglücklich, daß ich die ersten Worte von König Steffans Dankesrede an meine Eltern verpaßte. « …furchtbar nett von euch, euch all diese Mühe zu machen«, sagte er gerade. »Und ich gebe euch mein Wort als euer angebeteter und geliebter König, daß mein Heer, wenn es die königliche Kutsche endlich eingeholt hat, keine Hühner stehlen und auch nicht eure Ernten niederbrennen wird.
    Meine Minister erzählen mir, daß überall, wo Heere auftauchen, die Leute sich als allererstes darüber beschweren: über gestohlene Hühner und niedergebrannte Ernten. Es wird euch freuen zu erfahren, daß meine Leibwache nicht aus irgendeinem dahergelaufenen militärischen Gesocks besteht. Alle sind vor ihrer Einstellung einer gründlichen Untersuchung unterzogen worden. Wenn ihnen dabei die Frage gestellt wird: >Stiehlst du gern Hühner und brennst du gern Ernten nieder?<, dann tun sie gut daran, mit >Nein< zu antworten, sonst fliegen sie nämlich hochkantig raus! Ich will allerdings einräumen, daß wir einen Unteroffizier haben, der gern Ernten stiehlt und Hühner abbrennt, aber seit wir ihn zum Armeekoch befördert haben, ist alles …«
    »Euer Majestät, die Kinder haben ein kleines Willkommensständchen für Euch vorbereitet«, sagte Mama plötzlich.
    Die Dörfler jubelten aus Leibeskräften, so daß der König kein weiteres Wort mehr über verbrannte Hühner von sich geben konnte.
    Der Chor der kraushaarigen Kinder trat vor, die Blumenkörbe mit sich zerrend, und baute sich vor der königlichen Plattform auf. Mama flatterte umher, schob sie in zwei Reihen zusammen. Sie streckten ihr ständig die Zunge raus und schubsten einander um. Ein engelgleiches Kind setzte sich auf den Boden und begann zu schniefen. Ein anderer kleiner Liebling verkündete lauthals: »Milgrub hat sich wieda naßgemacht!« Der unglückselige Milgrub heulte und knuffte der Petze in die Schulter. Eine Prügelei brach aus. An Kraushaar kann man ebenso leicht reißen wie an glattem.
    Während all dies geschah, bemerkte ich ein Kind, das immer noch bei den erwachsenen Dorfbewohnern stand. Es war einer jener Jungen, die man immer »groß für sein Alter« zu nennen pflegte, was bedeutete, daß er ebenso breit wie hoch war und nur aus Muskeln bestand. Der kleine Schlägertyp hatte schmale Augen, die sicherlich scharf genug sehen konnten, wenn es darum ging, sich kleinere Kinder auszusuchen, die er piesacken konnte. Er hatte das Gesicht eines gereizten Drachen und das dazu passende Temperament, dafür aber einen wunderschönen goldenen

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