Esther Friesner
Auge. Statt dessen besaß er fünf kleine Münder, die sich von der Stirn bis zum Kinn verteilten und gerade ziemlich unanständige Dinge über Gryms Mutter zum besten gaben.
Grym brachte sie allesamt mit einem einzigen Seitenhieb Grabräubers zum Verstummen. Zusammen mit dem Blut strömte eine ganze Fontäne von Kröten aus dem abgeschlagenen Hals des Dämons und hopste in die Menge davon.
»Ach, fangt sie ein! Fangt sie doch ein! Man weiß ja nie!« rief Mutter Krötenhauch verzweifelt. Sie stand auf einem kleinen Schafott, das man hastig zusammengezimmert hatte, direkt neben den Tafeln mit den Erfrischungen. Wenn es einem nichts ausmachte, dabei eine Henkersschlinge um den Hals zu tragen, war es eigentlich ganz nett, einen Platz im Schatten zu haben.
Basehart kam aus dem Haus, Schwert in der Hand, und sah, daß alles vorbei war. »Oooch!« Er warf die Klinge zu Boden und stampfte zu meinem Vater hinüber, der an einer langen Tafel unter einer großen Ulme saß. Paps trug einen seltsamen Hut, der so aussah wie das, was passiert, wenn man einen Schokoladenkuchen vom Ostturm herunterfallen läßt. Es schien ihm nicht allzu behaglich und glücklich zumute zu sein.
»Juhuuu! Euer Majestä-häät!« Mama kam zwischen den kraushaarigen, mürrisch dreinblickenden Dorfkindern hervorgerannt.
Sie hämmerte gegen die Kutschentür. »Ihr könnt jetzt herauskommen.
Es ist alles in Ordnung. Das waren nur die Anwälte der Anklage und der Verteidigung, die gerade Mutter Krötenhauchs Fall zusammengefaßt haben.«
»Wessen Fall?« Rot vor Zorn schob sich der Kopf des Königs aus dem Fenster. »Den Fall der Hexe? Soll das etwa heißen, ihr habt einfach mit dem Prozeß angefangen, obwohl … ? Hört mal, habt ihr etwa meine Nachricht nicht bekommen, daß ihr erst anfangen sollt, nachdem ich eingetroffen bin?«
»Doch, Euer Majestät«, erwiderte Mama mit einem tiefen Hofknicks.
»Aber der Anwalt der Anklage hat Euren Boten und sein Reittier aufgefressen.«
»Ganz genau«, bestätigte Paps von seinem Platz unter der Ulme.
»Und hatte hinterher auch noch die Frechheit, herumzulungern und sich mit dem Horn des Einhorns in den Zähnen zu puhlen. Dämonen, bah! Und was noch dazukommt, dieser grinsende Geck mit dem Bart und dem albernen Hut - der freche Penner, der mein Essen zu sich genommen und meine Gastfreundschaft genossen hat, während er bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit meinem kleinen Mädchen Lucy schöne Augen macht wie ein habgieriger Wolf - diese stinkende Eiterpustel hat doch tatsächlich erklärt, er würde uns ebenfalls allesamt von dem verdammten Anwalt auffressen lassen, wenn wir nicht sofort mit dem Hexenprozeß weitermachen.«
Zoltan verneigte sich ironisch vor meinem Vater. »Zuviel der Güte, Edelherr Lucius. Ich hielt es lediglich für eine grausame und unübliche Strafe, die arme Mutter Krötenhauch so lange auf ihren Prozeß warten zu lassen. Die Sorge hätte zuviel für sie werden können. Die Gerechtigkeit muß schnell sein, falls Könige es nicht sind.«
»Wir dachten, wenn wir den Prozeß hinter uns bringen und die Hexe gehenkt haben, bevor Ihr hier eintrefft, würdet Ihr das schon verstehen«, sagte Mama und verschränkte allerliebst die Hände vor der Brust. »Lucius hat den Dienern besondere Anweisungen gegeben: Während Ihr zuhört, wie die Kinder ihr kleines Willkommensständchen darbringen, sollten sie die Leiche losschneiden und eine hübsche Tischdecke über das Schafott werfen, damit wir es als zusätzliche Tafel für Erfrischungen benutzen könnten.«
»Das war wirklich äußerst aufmerksam«, sagte der König.
»Aber da ich nun hier bin, wollen wir nichts mehr mit diesem Hexenprozeßblödsinn zu tun haben. Der Dame wird meine königliche Begnadigung gewährt.« Er stieg aus der Kutsche und musterte die ganze Szene, während sich alle tief verneigten. Die guten Käseburger von der wöchentlichen Hexenjagd waren auch anwesend, noch dazu in ihren besten Kleidern, und alle sahen sie mächtig nervös aus.
König Steffans Blick heftete sich auf Zoltan, der mit seinem widerlichen Lächeln einfach dastand. Zoltan hatte sich zwar ebenso artig verneigt wie alle anderen, doch hatte er dabei etwas an sich, das den Eindruck erweckte, als würde er dem König gleichzeitig eine lange Nase machen.
»Euer Majestät sind äußerst gnädig«, sagte Zoltan. »Darf ich fragen, warum Euer Majestät beschlossen haben, trotz der Gesetze gegen die Hexerei Mutter Krötenhauch zu
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