Esther Friesner
freiberufliche Dorftrottel.«
»Jedem von König Steffans Untertanen, der mit Hexen Handel treibt, droht die Todesstrafe, mein Lieber«, sagte Mutter Krötenhauch sanft.
»Und auch sonst ist es alles andere als ratsam, sich allzuoft mit einer bekannten Hexe blicken zu lassen. Das ist Gesetz, seit diesem unglückseligen kleinen Vorfall zwischen König Steffans Base und ihrer Stiefmutter und diesem dämlichen ollen Apfel. Das war zwar alles nur ein Mißverständnis, aber so ist es nun mal. Die königlichen Herrschaften reagieren ja immer viel zu heftig.«
»Und ob«, sagte einer der Nicht-Trottel aus dem Dorf.
»Die arme alte Mutter K. kann nicht einfach ins Dorf kommen und kaufen, was sie braucht, und wir können auch nicht einfach hierherkommen und uns eins ihrer Heilmittel abholen. Aber es ist völlig legal, wenn wir immer wieder mal versuchen, die Hexe umzubringen, und wer kann uns schon einen Vorwurf daraus machen, wenn wir das einfach nicht schaffen?«
»Schließlich bin ich ja auch eine sehr mächtige Hexe«, warf Mutter Krötenhauch verhalten ein. »Das zu leugnen, wäre nur falsche Bescheidenheit.«
»Ganz genau«, pflichtete der Dorfbewohner ihr bei. Es war ein dunkler Mann mit schwarzem Kraushaar, das reichlich mit weißem Puder bestäubt war. Auf seiner Schürze waren leuchtende Marmeladen- und Geleeflecken zu sehen, und er roch stark nach Zucker. Das mußte entweder der Dorfkonditor sein oder jemand, der beim Essen immer eine ziemliche Schweinerei veranstaltete. »Und wenn wir dann vorbeikommen und sie schon wieder nicht umgebracht kriegen, wird sie immer wütend auf uns, und wir müssen sie mit Geschenken beschwichtigen. Macht doch Sinn, oder?«
»Du machst immer Sinn, Edelmann Bobbo.« Mutter Krötenhauch lächelte ihn an. »Und die besten Kuchen in der ganzen Gegend. Ich hoffe du hast das zusätzliche Dutzend beigelegt, um das ich gebeten hatte?« Der Konditor nickte, stolz auf die Beliebtheit seiner Ware.
»Ich verstehe«, sagte ich. »Und wenn sie dann die Geschenke abgeliefert haben und wieder gegangen sind und ganz zufällig auf dem Heimweg eine Kiste mit Hexensalben vorfinden, wer kann es ihnen schon verdenken, wenn sie das Zeug nach Käseburg mit zurücknehmen?«
»Richtig!« Edelmann Bobbo klopfte mir auf die Schulter und hinterließ dabei weiße Handabdrücke. »Reichlich sorglose Geschöpfe, manche von diesen Hexen!«
»Was ich allerdings nicht verstehe«, fuhr ich fort, »ist, woher die Leute wissen, welche Vorräte du brauchst, und woher du weißt, welche Salben sie brauchen.«
»Och, das machen die Kröten, junger Herr«, antwortete der Konditor.
Er griff in die große Tasche seiner Schürze und überreichte mir eine mehlbestäubte Kröte. »Das hier ist die, die gestern ins Dorf kam.«
Ich betrachtete den Rücken des Tiers und las Mutter Krötenhauchs Einkaufsliste, säuberlich in Warzen geschrieben.
»Und was mich betrifft: so erfahre ich, was die Dörfler brauchen«, ergänzte Mutter Krötenhauch, »aus den Eingeweiden.«
»Eingeweide?« Mein Magen machte einen Satz. Alle guten Zauberer lernen, wie man Eingeweide liest: Man nimmt ein armes, unschuldiges Tier, füttert ihm ein paar Happen, haut ihm auf den Kopf, dann schlitzt man es auf und breitet die Eingeweide auf einem Brett aus, um aus den Windungen, Kurven, Färbungen und Markierungen des Gekröses die Zukunft vorherzusagen. Was mich betrifft, so würde ich es allemals vorziehen, darauf zu warten, bis die Zukunft endlich da ist. Das Fach Einführung in die Eingeweideschau«
habe ich immer geschwänzt. »Mutter Krötenhauch, wie kannst du nur!« platzte es aus mir hervor.
»Iwo, Liebchen, so schlimm ist das doch gar nicht«, versicherte sie mir. »Ich töte doch niemanden dafür. Weshalb sollte ich? Hinter den Hügeln dort drüben verläuft eine wunderschöne königliche Schnellstraße. Immer, wenn ich die Zukunft lesen muß, um zu erfahren, was die Käseburger von mir brauchen werden, packe ich ein kleines Picknick zusammen, wandre zu der Schnellstraße hinüber, setze mich ins Gras und warte, bis einer der Wagen irgend etwas überfährt. Das tun die nämlich immer, mußt du wissen.
Und das lese ich dann. Das ist ziemlich praktisch, außerdem sind die Eingeweide meistens schon ausgebreitet, wenn ich dort ein- …«
Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Kopf plötzlich mit einem Ruck in die Füße sackte. Ich schlug eine Hand vor den Mund, fuhr herum und raste ins Haus.
KAPITEL 19
»Ich kann nur feststellen, es
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