Esther Friesner
glaube, im Augenblick ist sie keine besonders gesunde Welfie.«
»Erzähl mir mehr davon«, sagte ich und preßte die Zähne so fest aufeinander, daß es schon weh tat.
»Was ich dir damit sagen möchte, furchtloser Führer, ist, daß du die Hexe besser möglichst schnell auf den Fall ansetzt, bevor Mysti sich auf die Reise zu diesem großen Pilzhaus oben im Himmel macht.« Der Kater sprang leichtfüßig auf das Fenstersims und blickte hinaus. »Was ist denn da los?«
»Die stehen alle einfach nur herum«, sagte ich verwundert. »Stehen herum, wedeln mit ihren Fackeln und schreien: >Tötet die Hexe!<.
Aber sie unternehmen nichts, um sie tatsächlich umzubringen, und so geht das jetzt schon eine ganze Weile.«
»Ist ja abgefahren«, bemerkte Scandal.
»Ha!« donnerte Grym und schlug sich mit der Faust in die Hand.
»Sehet, einmal mehr sprachen die Götter durch dieses gesegnetste aller Wesen! Unser Zögern beut Gefahr.
Abgefahren, sprechen die Götter, und so ziemt es uns, auf Fahrt zu gehen. Ja, sogar so weit, wie es Mutter Krötenhauch tat, bis in den Schlund ihrer Feinde selbst!« Schon war er durch die Tür, das Schwert gezückt, bevor man auch nur Komm zurück, Blödmann sagen konnte.
»Ach, herr- …! Sie hat uns doch gesagt, wir sollen drinbleiben«, versetzte ich. »Nicht einmal Grym kann es mit dem ganzen Haufen dort allein aufnehmen. Ich werde ihm folgen.«
»Das wird bei dir langsam zur Gewohnheit. Blödheit ist eben ansteckend«, meinte der Kater. »Da draußen sind mindestens fünfzig tobende Bauernlümmel. Wenn du jetzt Gipskopf dem Barbaren folgst, senkt das das Verhältnis auf fünfundzwanzig zu eins. Wirklich eine große Hilfe!«
»Du vergißt dabei, daß ich Magik besitze, und Grym auch.«
»Du kannst mit deiner Magik ungefähr so gut umgehen wie ich mit einem Fahrrad, und Gryms Magik steckt allein in seinem Schwert.«
»Na ja …« Ich suchte nach irgendeinem Grund, um zu rechtfertigen, was ich sowieso tun würde. Es ging jedenfalls nicht an, daß ich einfach nur tatenlos zusah, wie Grym und die Hexe allein gegen die Meute kämpften. »Na ja, immerhin beschützt mich meine Magik wenigstens. Ich werde hinausgehen und die Bauern so lange provozieren, bis sie mich angreifen. Das ist eine Ablenkungstaktik, damit alle anderen dann fliehen können.«
»Hübsche Taktik«, kommentierte der Kater mit seitlich aufgerollten Schnurrbarthaaren. »Deine Magik schützt nur dein Leben, mehr nicht.
Der Mob kann dich also getrost zu Klump hauen, wenn ihm danach ist. Ich wette, das wird denen eine höchst willkommene Ablenkung sein. Und selbst wenn Grym und Mutter Krötenhauch es schaffen sollten zu fliehen, bleibt da immer noch das Problem Mysti.«
»Ich höre nichts davon, daß du eine bessere Idee hättest«, knurrte ich.
»Ich?« Scandal zog die Pfoten ein und rollte sich zu einer gemütlichen Pelzkugel auf dem Fenstersims zusammen.
»Ich habe eine hervorragende Idee: Ich nenne es Überleben.
Ich finde, das klingt gut, hat einen ganz brauchbaren Rhythmus, und tanzen kann man dazu auch. Mag ja sein, daß Katzen neun Leben haben, aber es steht nirgendwo geschrieben, daß ich das auch unter Beweis stellen müßte.« Er schloß die Augen.
Ich sah aus dem Fenster. Bei derart grobem Glas konnte ich nur verschwommene Gestalten erkennen, aber Grym war an seiner Körperhöhe auszumachen und Mutter Krötenhauch an der Farbe ihres Kleids. Der Mob schien sie inzwischen umringt zu haben, und der Singsang wechselte von: »Tötet die Hexe!« zu einem schlichten:
»Töten! Töten! Töten!« - wahrscheinlich Grym zu Ehren, vermute ich.
»Prima, halt du dich nur bedeckt«, sagte ich zu Scandal.
»Von mir aus versteck dich doch von hier bis in alle Ewigkeit, du räudiger Feigling!«
»Ich hatte noch nie in meinem Leben die Räude, Pickelfratze«, erwiderte der Kater mit einem Gähnen, als ich tapfer aus der Tür trat.
»Halt!« rief ich auf der Türschwelle. »Laßt sie sofort frei, oder ihr bekommt den Zorn von Meister Kendar zu schmecken, des größten Zauberers im ganzen Reich!« Mit einer dramatischen Geste warf ich beide Hände in die Höhe.
(Als ich noch zu Hause lebte, kam einmal eine Truppe Wanderschauspieler nach Gut Uxwutsch und führte Die tragische Geschichte des Dr. Festus auf, die Geschichte eines Zauberers, der seinen Hausdämon für ein Grinsengericht verkauft, was immer das sein mag. Der Schauspieler, der den Dr. Festus gab, machte ständig solche dramatischen Gesten.
Wirkliche Zauberer
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