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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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vergessen sie die gerösteten Zwiebeln, das wäre nicht gut. Ich liebe die Erhabenheit der menschlichen Leiden.

Sechstes Kapitel
    in welchem Das ungeheure 2 Geheimnis des Kornél Esti
    Z sófi erzählt:
    In der Nacht wollte mich ein Drache auffressen. Da begann ich zu laufen, schnell wie ein Hase, worauf sich auch der Drache in einen Hasen verwandelte. Als er mich einholte, haben wir einander sehr gefallen, und er hat mich geheiratet, und seitdem leben wir glücklich, wir zwei Hasen.
    Verstehst du? In Wirklichkeit sind da nicht zwei Hasen, sondern der eine bin ich, und der andere ist der Drache. Und weißt du, das ist sicher nur ein Märchen. In Wahrheit hat mich das Vieh gleich aufgefressen.
    Im Allgemeinen, und das wäre noch keinerlei Geheimnis, habe ich es gern, wenn von A.s Redaktion E. Cs. mich inkommodiert, denn von A.s Redaktion pflegt mich immer einer zu inkommodieren (gemeinhin E. Cs.). Diese Rolle hat nun Kollegin G.N. übernommen, und ich schwöre (bei Gott?), auch das habe ich gern. Sobald sie mich sieht, selten, leuchten ihre Augen wie die einer Tigerin, und das ist gut. Über das Geheimnis als solches will sie etwas aus mir herauskriegen oder, was soll ich drum herumreden, herausprügeln für das Themenheft. Zugunsten des Themenhefts. Red schon, Hergott nochmal, red oder du wirst es noch bereuen, dass dich deine Mutter auf die Welt gewerft hat. Oder eher gejungt? Und überhaupt, nicht eher geworfen, starkes Verb?
    Neuerdings träume ich von G.N., so verwirrend, dass ich es am liebsten sogar vor mir selbst verleugne, ganz zu schweigen von meiner Familie, ich denke da weniger an meine Geschwister, vielmehr an meine Frau, in diesem Zusammenhang die Mutter meiner Kinder, und die Kinder selbst. Nun, sie sind schon keine Kinder mehr, aber ich nenne sie aus Gewohnheit so, ich habe mich daran gewöhnt, dass ich Vater bin, ihr Vater, und ich bezeichne sie so, seit ich sie bezeichne, und so denke ich auch an sie, Kinder. Nicht Aufrichtigkeit trieb mich, ich schilderte ihnen meine peinlichen, neuen Erlebnisse ausschließlich deshalb – wie einst in der Spinnstube oder beim Maisrebeln sammelte ich sie um mich, und sie versammelten sich auch andächtig; dabei fällt mir ein:
    Diese meine Sprösslinge sind ohne Maisrebeln aufgewachsen, die vier Mädchen und der eine Junge mussten kein einziges Mal rebeln, doch nicht einmal der Gedanke des Rebelns oder Gerebeltseins hat sie in Versuchung geführt; das alles würde ich, ich gebe zu, unüberlegt, dem Verlustregister der Aufklärung zuschlagen –, nun, ich berichtete ihnen, zwischen Scham und Aufschneiderei schwankend, deshalb davon, weil ich vermeiden wollte, dass dieser eher unschuldige und unbeholfene als gewaltige oder gefährliche Traum (und nicht Träumerei!, obwohl, nicht wahr, den Vogel an seinen Federn, den Menschen an seinem Unbewussten) zu einem Geheimnis wird.
    Die Kinder hörten anfangs mit der notwendig zu nennenden Unvoreingenommenheit zu, sie kennen G.N. nicht und meinen mich zu kennen. Meine Frau kennt sie, und ich behaupte, sie hat eine gute Meinung von ihr, positiv … Sie hat vielleicht höchstens jene Begebenheit neulich seltsam gefunden, als bei dem (meinem) Zusammentreffen mit G. im großen, hastigen Hallo (ich freute mich halt!) G.s lange Künstlerfingernägel meine lange Künstlernase verletzt haben; es ist weniger als eine Wunde und in gewissem Sinne gerade deshalb mehr, eine unangenehme Epidermisverletzung, selbst die Luft brennt, meine Frau cremt die Wunde täglich ein oder, wie sie sagt, crämt sie ein, damit beginnt, sagen wir, unser Tag (gern, mit Freude sage ich auch nach fünfunddreißig Jahren: unser Tag, obwohl ich nur mit Mühe genauer angeben könnte, was daran gemeinsam wäre, abgesehen von allem), wir verwenden eine Art Alsol-Salbe, obwohl wir nicht überzeugt sind, das Ideale gefunden zu haben; vielleicht ist das so, als verwendeten wir gegen Schwitzen Vaseline; ich weiß jetzt nicht, warum mir die einfällt. 3
    Gemeinsamer Tag hin oder her, diese allmorgendliche Beschäftigung, ja, Schererei geht meiner Gattin gegen den Strich. Wenn auch sanft, so doch ohne Pause rügt sie deshalb parallel zur Alsol die davon unabhängig talentierte Schriftstellerin. Ich habe das Gefühl, sie verteilte lieber mit der Frau des Reichsverwesers Suppe an die Obdachlosen, als jeden Morgen diese Crämerei zu veranstalten. Hier wäre auch eine andere Wortstellung vorstellbar. Nur zu, meine Söhne, flüstert die Frau des Reichsverwesers, während sie

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