Esti (German Edition)
die Einrichtung des Gehens kennen; wie immer bewunderte Esti dieses zweibeinige Bravourstück. Wie von einem Magneten angezogen, taumelte das Kind, alle anderen nicht beachtend, auf sein Ziel zu. Hu hu, lallte es mit unerwartet tiefer Stimme, und Estis Herz schlug heftiger. Er hatte das Gefühl, es gäbe nur sie beide im Universum, nun, ungefähr dieses Gefühl hatte er, wobei Esti meiner Ansicht nach dazu neigt, unter Universum den eigenen Garten zu verstehen, was deshalb … keine Ahnung, eigentlich ist es in Ordnung, alles ist alles, sei es auch noch so klein. Das kleine Alles ist sozusagen haargenau so groß wie das große Alles. (Man könnte das Haar noch weiter spalten, doch auf die Haarspalterei habe ich bereits zu Anfang verzichtet, wozu im Haus des Gehenkten vom Strick, nicht wahr.)
Da hörte Kornél Esti einen Satz, von dem er gedacht hatte, er würde ihn nie hören. Oder, besser: Er hatte nicht gedacht, dass er ihn je hören würde. Der Herr des Hauses ließ sich vernehmen, der bis dahin das seltsame Duett von Esti und Kind mit verdutzter Aufmerksamkeit verfolgt hatte. Esti hörte: Boldizsár, sieh mal, dein Großvater, damit tätschelte er Esti jovial – nun, die Schulter, aber wie heißt das da bloß?, Widerrist?, nein, das wäre weiter unten, irgendwo seitlich über dem Schulterblatt, scheint mir. Aber was ist dann der Bug? Das ist vielleicht eher die Brust. Wäre es ein Rind, wäre da die Lende. Das Roastbeef. Das Ende des Kamms, der Beginn des Rückens beim Schwein. Der Boldizsár genannte kleine Junge namens Boldizsár umarmte, quasi obige Worte erfüllend, Estis Nacken. Hu hu. Esti leckte den Jungen ab.
Pfui, rief die junge Mama.
Nix pfui, lachte der Herr des Hauses laut und selbstzufrieden. Sehen Sie, meine Liebe, Ihr kleiner Sohn hat seinen wahren Großvater erkannt. Pass auf, mein Sohn. – Auch Esti spitzte die Ohren. – Das ist also dein Großvater. Nicht ich, er. Dummer Hund, nicht springen. Also. Davon hast du zwei, im Gegensatz zu deinem Vater, hier, und deiner Mutter, küss die Hand, gnädige Frau, hier, davon hast du jeweils nur einen oder eine, dein anderer Großvater ist weniger behaart und hat zwei Beine, so kannst du sie leicht unterscheiden. – Der Herr des Hauses hatte plötzlich genug von sich. – Lassen wir vielleicht Großvater und Enkel allein, macht euch schön miteinander bekannt – er drehte sich auf dem Absatz um, und als wäre er wütend, wüsste aber nicht, auf wen, eilte er mit schnellen Schritten, Sohn und Schwiegertochter vor sich herschiebend, ins Haus zurück.
Sie blieben allein, Esti stand mit seinem Enkel blinzelnd im Sonnenlicht. Ein Hund ist wie die Ungarn, nicht stark im begrifflichen Denken. Vielleicht deshalb, vielleicht als Folge der persönlichen Verunsicherung murmelte es in Esti wie in magischer Beschwörung: Großvater, Opa, Opi. Sie gingen zurück hinter den Steingarten, zum Apfelbaum. Fassen wir das also in einen Satz, er rieb seine (vorzugsweise schwarze!) Nase am Bein des kleinen Jungen. Der Opa ging mit seinem Enkel zurück hinter den Steingarten, zum Apfelbaum. Der Opa zeigt seinem Enkel den Garten. Alles. Den Zoologischen Garten, darin die Giraffe und die Hundertfüßer, das Donauufer, darauf die zum Kieselhüpfen geeigneten Kiesel, den Gellértberg, darauf die Bank – sie ist noch da –, wo ihm zum ersten Mal eine Frau auf dem Schoß gesessen hat, die Sternwarte, darin die Venus, das ist übertrieben, den Hauptstädtischen Großzirkus, darin alles, den See im Stadtwäldchen, darin den im See sich spiegelnden Großvater mit seinem Enkel. Vielleicht gar nicht den See, sondern die See? Da rast der See und will seine Oper haben. Er zeigt ihm also auch die Sprachspiele und Zitate. Opa zeigen Enkel Welt ganz.
Esti blieb stehen, drehte die Ohren nach vorn, er hatte einen Mucks in der Ecke des Gartens vernommen. Boldizsárs weiches kleines Händchen lag noch immer auf dem Nacken seines Großvaters. Esti gefiel das, nur mit dem Wort konnte er sich nicht anfreunden, Opa, wiederholte er ungläubig, Opa. Irgendwie mochte er dieses Wort nicht, doch mit der Sprache kann man nun einmal keinen Streit vom Zaun brechen, wenn es Opa heißt, dann heißt es Opa. Nur was hat gerade er mit diesem Wort, Opa, gemein? Esti war damals acht, das multiplizierte er, wie ein Jack-London-Held, mit sieben, erhielt, was er erhielt, doch war er jetzt auch nicht klüger als vorher. Er fühlte sich nicht jung, doch auch nicht alt, er hatte kein Gefühl für das Alter. Doch
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