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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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wie dieses, und dennoch war es ein anderes, deshalb konnte man von ihm träumen. In Estis Leben gab es also Ordnung, und er dachte nie auch nur daran, dass das etwas mit Langeweile zu tun haben könnte. Kornél Esti hat sich in seinem Leben nie gelangweilt . Gut, dass dieser Satz da steht, von emblematischer Schönheit, doch er ist nicht ganz richtig. Esti konnte gerade stundenlang, bunt, einfühlsam, jetzt dem vor ihm wippenden Grashalm, die Schönheit der Langeweile schildern, ebenso deren Notwendigkeit, dass er zum Beispiel gelernt hatte, sich zu langweilen, im Laufe der Jahre ein ausgesprochen freundschaftliches Verhältnis zur Langeweile entwickelt hatte, zu seiner eigenen Langeweile und zur Langeweile an sich, sie gehörte schon zu ihm wie die Beine oder das Lächeln oder das Weinen.
    Was, du weinst, Kornéllein?, fragte der Grashalm mit einkeimblättrigem Staunen.
    Und ob!, kläffte Kornél vergnügt.
    Und du hast keine Angst vor der Langeweile?
    Oh nein.
    Sprich weiter.
    Oh nein, im Gegenteil, ich hätte Angst, wären da nicht diese weiten, schwarz leeren Räume in mir.
    Aber ist das nicht wie die wüste Wüste, die öde Ödnis, als wenn dich Staub bedeckt, deinen ganzen Körper, deine Augen, dein Haar, deine Ohrmuscheln, und auch innen, Staub an deinem Gaumen klebt, deiner Zunge, deinen Mandeln, deinem Rachen, deiner Lunge, sich der tonnenschwere Staub auf deine Lunge legt, so dass du immer weniger Luft kriegst, du das Gefühl hast, zu ersticken, doch nicht einmal das dir Angst macht, weil alles von Staub erfüllt ist?
    Nein, ich stimme nicht in allem der Menschheit zu, und Kornél lachte wieder laut auf, heiser, derb, wie über einen schweinischen Witz. Das Einzige, was uns in unserem Elend tröstet, ist die Zerstreuung, und dabei ist sie die Spitze unseres Elends; denn sie ist es, die uns grundsätzlich hindert, über uns selbst nachzudenken, die uns unmerklich verkommen lässt. Sonst würden wir uns langweilen, und diese Langeweile würde uns antreiben, ein besseres Mittel zu suchen, um sie zu überwinden. Die Zerstreuungen aber vergnügen uns und geleiten uns unmerklich bis zum Tode. Da die Menschen unfähig waren, Tod, Elend, Unwissenheit zu überwinden, sind sie, um glücklich zu sein, übereingekommen, nicht daran zu denken. Ich, Kornél Esti, will an alles denken, deshalb musste ich einen Pakt mit der Langeweile schließen.
    Der Grashalm bewegte sich, Esti nieste heftig. Wie ein Mensch!, tönte es vom Tor herüber, Niesen ist vielleicht unser menschlichster Laut. Der Herr des Hauses führte die Gäste, ein junges Paar und ein Kind, das gerade erst laufen lernte, polternd ins Haus. Ich bemerke bloß so nebenbei, dass wir die ganze Zeit auf diesen Knirps gewartet haben. Auf der Stelle ließ Esti den Einkeimblättrigen fahren, sprang auf, als hätte er eine negative Katze erblickt, das heißt etwas, was er unwiderstehlich zu lieben wünschte. Zu lieben, zu umarmen; in solchen Momenten bedauerte er – wenn er ehrlich gegen sich selbst ist, muss er das sagen –, nicht umarmen zu können. Dabei übte er es. Er streckte sich am Stamm des Apfelbaumes hinauf und versuchte ihn mit seinen Vorderläufen, seinen, wie die Fachliteratur es ausdrückt, welche Ironie!, runden Katzenpfoten zu umarmen. Doch immer fiel er, buchstäblich, auf die Schnauze. Zwar blieben seine Krallen, quasi wie geplant, in der Rinde hängen, dieser Etappensieg aber ließ bereits die Niederlage vorausahnen, wenn Esti sich anstelle des Baumes ein noch lebendigeres Lebewesen vorstellte. Dann verliebe er sich eben in den Apfelbaum, nicht wahr. Monamur. Meine Liebe, der Apfelbaum, Kornél Esti kostete den Sachverhalt, doch die Trauben waren sauer. Er hätte gern etwas Behaarteres als den Apfelbaum geliebt. Etwas Weicheres. Langsam rutschten seine Pfoten den Stamm hinunter, dann auf einmal bum!, mit der Nase gegen den Baumstamm. So ließ er es schließlich bleiben, bringen wir doch die Kraft (und vor allem Lust!) auf, die eigenen Schranken zu erkennen. Etwas anderes als meine Schranken sehe ich auch gar nicht, kläffte Esti fröhlich. Ich bin am ehesten durch meine Schranken definierbar. Nun, damit bin ich absolut einverstanden.
    Der kleine Junge interessierte sich, sobald er Esti gesehen hatte, für nichts anderes mehr. Begeistert kam er auf ihn zu. Er bewegte sich, als wäre er betrunken, leicht betrunken, doch schon ein wenig torkelnd, als wäre der Boden unter seinen Füßen nicht sicher. Seine Beine waren nicht sicher, er lernte gerade

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