Esti (German Edition)
konnten, auf die Textwurzeln, Rabelais-Zitat, meine Kleinen, ihr könnt also beruhigt sein, und marschierte aus der Szene wie die Operettenprimadonna Hanna Honthy, eine Hanna Honthy jedoch, die nicht bemerkt, dass infolge eines fatalen Schneidermalheurs ihr nackter Arsch zu sehen ist (die beiden weißen Monde ihres nackten Arsches). Ich denke, die unangenehme Stille, die das bei meinen Kindern auslöste, entsprang dem Duo aus nackter Verblüffung und Lächerlichkeit, sie wussten nicht, sollten sie mich erschrocken anbrüllen oder peinlich berührt über mich lachen, und diese Ratlosigkeit mündete in jene Stille, die dann als Zeichen des nötigen Respekts gewertet werden konnte.
Meine Frau hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen, 5 deshalb wertete sie nicht, doch meine Kinder es offensichtlich so, dass ich mit dieser Geschmacklosigkeit, dieser doppelten Geschmacklosigkeit, geschmacklos von der Geschmacklosigkeit – wie viel empfindlicher Feinsinn doch in diesen Küken steckt, dachte ich verächtlich (und in diesem Gedanken und Gefühl, jetzt, wenn ich es niederschreibe, erkannte ich den Feinsinn meines Vaters), woher nur, woher?! –, dass ich damit etwas zu verbergen wünschte. Mit der Schenkelpoesie, der billigen, abgedroschenen, aber dennoch dichterischen Primitivität der Eiffeltürme würde ich versuchen, einen Schleier zu ziehen … Logisch, worüber. Das ist immer und überall das Gleiche, egal ob jemand frivol (Madame Bovary) oder rein und unschuldig (Effi Briest) ist; sie kommen mir in den Sinn, weil beide Romane zeigen, und das wäre die Quelle der Tragödie beziehungsweise manchmal der Tragikomödie, dass das Leben ein Flussbett hat (dem man nur folgen kann). Gäbe es eine französisch-ungarische Sprache (oder ungarisch-französische – und wären wohl beide dieselbe?), hörte ich hier auch merde , die Scheitze (in Heinz Schwartzingers Übersetzung). Die neue Sprache würde die Interpretation nicht kurzschließen – das Leben ist Scheiße –, Hand in Hand mit dem Flussbett ginge nicht die Scheiße, vielmehr die Flussbettlosigkeit, das ist es, was wir erfahren, dass unser Leben kein Flussbett hat. Wir fließen nicht, wir strömen nicht, wir rinnen. An die Stelle der Tragödie tritt die Tragödienlosigkeit – als Tragödie. Wie es gewöhnlich heißt.
Meine Kinder vermuteten also, ich verberge eine liaison , sie vermuteten, quasi similia similibus, ich hätte, im Stil von G.N.s Roman gesprochen, eine Romanze mit G.N., sie wäre dies Mädchen mit schwarzäugigem Blicke in weißer Hütte, »vielfarbiges Regenbogenlicht von meinem Kummer und Glücke«. Sie hassten G.N., und zum ersten Mal in ihrem Leben wünschten sie in mein Leben einzugreifen. Sie verteidigten weniger ihre Mutter, eher den guten Geschmack. Sie schmiedeten Pläne, Intrigen, und dem Schmieden folgten Taten, ungeheuerliche. Von diesen möchte ich hier nicht berichten, sie gehören nicht direkt hierher – ich könnte natürlich anmerken, ein schwacher, doch auf der Hand liegender Witz, sie sollen mein Geheimnis bleiben, und schon könnte ich erzählen, was durchaus hierher gehört. Doch das würde zu weit führen, das, wie dieser unschuldige Traum das Leben meiner Kinder erbarmungslos verändert hat, warum das eine ins Gefängnis gekommen und das andere lesbisch geworden ist. (Um dennoch nicht in Rätseln zu sprechen, nur so viel, dass das eine G.N. ermordete, die Details ließe ich nur ungern wieder aufleben, obgleich man heute in einer sog. Novelle zwar sterben kann, jemanden ermorden aber äußerst umständlich ist, man lang die Handlung schildern muss, so lang wie, sagen wir, den Verlauf eines langsamen ungarischen Mittagessens, damit die Glaubwürdigkeit überhaupt eine Chance hat, und das andere ihr Geliebter wurde, und sie so, wenn sie mich und G. auch nicht wirklich auseinanderbrachten, doch Fremdheit, Distanz zwischen uns träufelten, und das tut den Liaisons, seien sie auch noch so fiktiv, Ausgeburten des Unschuld vorschützenden bösen kindlichen Verstandes, nicht gut, außer wir planen sie auf Lebenszeit, was allerdings nicht üblich ist.)
Das Bisherige war lediglich als kurzer Prolog gedacht, doch es ist eine Idee länger, »buckliger« geraten als geplant. Jene gewisse redaktionelle Inkommodität war überhaupt erst möglich, weil ich mich nicht eindeutig verhielt, weil mich das Geheimnis als Thema zutiefst etwas anging, und das war mir anzusehen. Mir ging nämlich ein Satz im Kopf herum, auch andere Sätze gingen da
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