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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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sofort kam ihm Pécs über die Lippen, wenn er nach der schönsten ungarischen Stadt gefragt wurde. Welche ist die schönste ungarische Stadt? Pécs. Auch wenn, nicht wahr, Schönheit relativ ist. Und man muss mit ihr auch etwas anfangen. Selbstbewusste, für ihre Stadt verantwortliche Bürger plus intelligente Stadtväter. Schneide keine Grimassen. Schön ist, was mit Interesse gefällt. Pécs ist auf irgendeine Weise sehr weit von Budapest entfernt, unwegsame Pfade führen hierher, Esti pflegte daher mit dem Flugzeug zu kommen. Selbst die Zeitverschiebung störte ihn nicht.
    Unter normalen Umständen hätte Esti dieses Glühwürmchen-Unten nicht gesehen, er war für so etwas blind, er hätte die Frau am Tisch gesehen, aus Anstand auch die Männer und das Hirschgulasch. Statt mit Kroketten mit Nockerln. Doch dieser getrost pervers zu nennende Pécswunsch des Chefredakteurs störte ihn. Obwohl Chefredakteure größtenteils so sind, ihr Leben vergeht thematisch von Monat zu Monat – wenn es sich um eine Zeitschrift handelt.
    Ich behaupte frank und frei, jauchzte Esti plötzlich und zeigte auf die Stadt, auf diese erstarrte Schönheit, dass der lüsterne Genuss des Panoramas Vergessen und Irrtum ist! Er schaute wild in die höfliche, stille Runde. Dann griff er in jenen Bart, sagen Sie, verehrter Herr, sagen Sie endlich, zu welchem Ende?!, zu welchem Ende wächst letztendlich dieser Bart hier im Schatten des Tettyebergs?!
    Der Chefredakteur lächelte leicht verlegen.
    Nein, rief Esti und legte dem Chefredakteur den Zeigefinger auf die heißen Lippen. Wie es mich durchpulst, der Gedanke durchfuhr Estis Finger. Doch er ließ sich nicht ablenken. Kommen Sie mir nicht damit, er sei einfach so gewachsen, Sie seien darauf gekommen, wie bequem es ist, sich nicht zu rasieren … Ach was … So ein und ein so großer Bart ist nicht einfach so. Geben Sie zu, dass Sie Ihr Leben ändern wollen … Beichten Sie nur, wenn da eine neue Geliebte ist oder Sie jemanden umgebracht haben!
    Esti keuchte.
    Stimmt etwas nicht?, fragte ihn die gertenschlanke Redakteurin.
    Ich hoffe es, Esti legte den Kopf auf ihre Schulter und versuchte die Gertenschlanke in eine Reimsituation zu bringen.
    Der Abend kam nicht vom Fleck, auch Esti war eher müde als betrunken, eher langweilig als skandalös.
    Also lässt sich ein jeder so langweilig wie möglich zu seiner Herberge fahren, sagte er nickend. Keiner antwortete.
    Als sie das Hotel erreichten, sagte Esti plötzlich zu dem Chefredakteur, diesmal griff er nicht in den Bart, er hielt sich daran fest.
    Schlafen Sie mit mir, mein Herr, ich bitte Sie. Ich bitte Sie.
    Die Stadt, die Mauern verströmten Wärme, das Wetter war hier anders als auf dem Berg. Das Gesicht des Chefredakteurs, was davon übrig war, überflutete Mädchenröte. Wie schön, dachte Esti, wenn ein erwachsener Mann zu erröten vermag. Er errötete nahezu bei diesem Gedanken. Doch er herrschte den Pécser umgehend an.
    Sind Sie verrückt geworden? Wo denken Sie hin?! Sie nehmen hier ein Zimmer und schlafen mit mir in einem Haus. Unter einem Dach. Sie wollen nicht, dass ich Sie anflehe. – Der Chefredakteur blickte verstohlen, wie sonst?, auf seine Uhr und hakte sich seufzend bei Esti unter. Er brauchte den Artikel wirklich.
    Die Hitze übertraf alle Vorstellungen. Esti hatte das Gefühl, in der Wärme arbeite eine auf seine Person bezogene Gehässigkeit. Heimtücke. Ein großer Ventilator rührte die abgestandene Luft; wozu. Von den designten Fensterteilen ließen sich circa 28 Prozent öffnen. Ein Attentat! Es gibt Besseres, als alle halbe Stunde klitschnass hochzuschrecken, stellte er weise fest. Nun, das schildere ich nicht weiter, es war entsetzlich.
    Morgens um sechs betrachtete er die Nacht endgültig als beendet. Doch der Tag hatte noch nicht begonnen. Er duschte erneut. Schaltete den Fernseher ein, dann aus. Langsam verging die Zeit. Er klopfte an die Zimmertür des Chefredakteurs. Die Tür öffnete sich von selbst wie in einem Krimi. Sie baumelte wie eine Stalltür. Das Zimmer leer, als wäre es ausgeraubt worden. Offenbar frühstückte er bereits.
    Frühstückt? Der Herr Chefredakteur frühstückt nicht, antwortete der Mann an der Rezeption irritiert. Er sah Esti nicht in die Augen. Der Herr Chefredakteur frühstückt keineswegs, der Herr Chefredakteur hat früh um vier das Hotel gewechselt. – Er hat Hotel und Wäsche gewechselt. Esti schnalzte anerkennend. Uns unserer Hysterie hingeben, das setzt eine gewisse Freiheit

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