Esti (German Edition)
wird, zur Überraschung aller, ausrufen, das aber ist schon ein echtes Drama, die Tasche wird gestohlen – – – er wird eine Pause machen, beide Frauen werden ihn mit derselben herablassenden Enttäuschung anblicken, doch er wird wie einen Trumpf hervorstoßen, die Tasche wird gestohlen, und daraufhin, hoppla, liebt mich die Baroness nicht mehr! – – – als wäre tatsächlich alles in der Tasche, auch dieser Liebes-Tinnef – – – das ist doch was, oder?!, die Kreditkarte ist nichts dagegen, aber wenn sie mich nicht mehr liebt, nicht wahr?!, das ist doch was!
Was machen Sie hier Witze, wird die Baroness flüstern – – – grau, kalt, real. Währenddessen wird statt Graf Batthyánys schwerem – – – dunklem, dramatischem, schönem – – – Kopf immer wieder der junge Dieb in Estis Phantasie auftauchen – – – auf der Leinwand seiner Phantasie – – – immer wieder wird er bei dem Jungen landen – – – auch dann an ihn denken, wenn er über etwas anderes spricht – – – er schweigt – – – und auf einmal ist er da – – – es endet damit – – – dass er dafür kann – – – ja, und der Diebstahl erscheint ihm immer weniger als Zufall, Missgeschick oder gar Drama, vielmehr als Notwendigkeit: Der Arme raubt in seiner Ohnmacht den Reichen aus – – – Ich möchte nicht reich sein! Bist du aber! Dort am Straßenrand, hinter Bari warst du das, reich, nichts anderes, nur reich!
Anderntags, wenn sie mit Mercedes und Chauffeur des Bürgermeisters von Brindisi zum Flughafen rasen werden, Cserkaszegi wird schon in der Früh allein zurück nach Rom aufgebrochen sein, mit Blaulicht – – – Unterscheidungssignal – – – wovon sie nichts wissen, sie sehen lediglich, ohne es zu verstehen, dass alle ihnen ausweichen – – – sich von der Straße verkrümeln – – – wird die Baroness, zurückkehrend aus dem Nichts – – – das sie ist – – – Esti ansehen – – – forschend – – – argwöhnisch, fangen Sie jetzt bloß nicht wieder mit den Armen und dem Ausgeliefertsein und dem europäischen Verwöhntsein an! – – – Warum denn nicht? Weil ich es nicht will, Sie Idiot! Weil es unerträglich ist! Was quengelstrabanzen Sie hier?! Anstatt mir auf der Stelle irgendeinen teuren Schmuck für den gestohlenen zu kaufen! Damit ich nicht an diese Teufelsfratze denken muss! Oder treten Sie dem Orden von Mutter Teresa bei, aber reisen Sie hier nicht voller Gewissensbisse in einem vierhundertfünfziger Merdscho herum! Oder steigen Sie hier irgendwo aus, hier gibt es an jeder Ecke einen Mönchsorden! Sollte ich aber in Ihren Augen noch einmal Tränen sehen, sollten Sie mir noch einmal mit diesem kulturellen Geflenne kommen, mit diesem humanistischen Schnupfen, steige ich aus. Im Übrigen ist meine Tasche gestohlen worden!
Nun aber Széchenyi mit diesem unerwarteten und etwas schmeichelhaften Vergleich – – – Mit welchem nochmal? Oh, den Meister haben andere Gedanken mit sich fortgerissen, sehr richtig, wandeln wir nur auf der Erde, der Meister aber blicke weiter, auf Größeres! Also. Die Batthyány-Regierung musste mehrmals nach Wien fahren, auch am 30. März 1848, um in der Burg mit den Erzherzögen zu verhandeln – – – Lajos und Ferenc und István, Széchenyi hält das Ereignis in seinem Tagebuch folgendermaßen fest: Es erinnerte mich an das Bild der Banditen von Terracina, wie sie einige Kamaldulenser ausrauben. Aber warum erwähne ich das? Ich erwähne es, weil der größte Ungar mit diesem Vergleich darauf hinweist, dass die berühmten Schurken so, wie sie im Sumpf, im Sumpfgebiet rauben, in Wien politische Zugeständnisse herausschinden. Denn, und hier folgt das eigentliche »weil«, dieses Terracina ist eine wunderschöne kleine Küstenstadt, dort, wo die von Rom nach Süden führende, ja, Sie ahnen es, Meister, Via Appia das Tyrrhenische Meer erreicht. Claudia Cserkaszegi wird schneller und feiner atmen, es gibt dort so ein Riesending – – – die Baroness wird aus ihrem Nickerchen aufschrecken, wie?, wie?, schon aber weiterschlummern – – – von Kirche, die Jupiter-Kirche, oben auf dem Berg über der Stadt, mit einem bunten Breitwandpanorama auf das Meer hinab, und am Fuße des Berges drückt sich die Via Appia zwischen Fels und Meer.
Esti mochte und schätzte an der Professorin – – – in erster Linie schätzte er ihre Formen, doch jetzt will ich nicht davon sprechen – – – dass sie sich jederzeit mit der Unschuld eines
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