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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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Hosen.
    Esti hatte von alldem nichts gesehen, oder wenn er es gesehen hatte, erinnerte er sich nicht daran, er wäre ein miserabler Zeuge gewesen – – – interessant, wie das Gehirn funktioniert, was es behält, was es vergisst, was es unterdrückt – – – Er war ein paar Schritte gerannt – – – ein paar unbeholfene Schritte – – – Richtung Auto, doch das war schon losgefahren und in der Kurve verschwunden – – – Richtung Modugno?, Brindisi? – – – Die Arbeiter auf der Baustelle guckten nur, was geschah – – – Und Esti guckte zurück, sie guckten wie ein Schwein ins Uhrwerk – – – Plötzlich war Esti voller Hass, sein Mund füllte sich mit bitterem Speichel, er knirschte mit den Zähnen, fletschte sie – – – Wie töten wir jemanden? Die Menschheit, unsere Kultur, unsere Zivilisation hat sich ausgiebig damit beschäftigt, oder nicht? – – – In den Rückwärtsgang schalten, verfolgen, umstoßen – – – Der Hass wurde von Ohnmacht gespeist – – – die italienische Sonne macht keine Witze – – – Esti stand erstarrt wie eine Statue neben dem Auto – – – um das Auto herum zitterte die heiße Luft – – – alles strahlte Hitze aus, das Auto, der Asphalt – – – und die Sonne von oben – – – sein Haar heizte sich auf.
    Das Öffnen der Tür, das Aufreißen der Tür war das Grauenvollste – – – wie eine Vergewaltigung – – – Rache – – – aus unbegreiflichen Gründen persönliche Rache – – – sie wollen dich, dich konkret, du bist schuld – – – Alles Mögliche fällt einem ein, Europa versus Afrika – – – Du behauptest, fragte ich Esti – – – fragte ich nicht frei von Malice – – – dir ist dort, am Rand von Bari, nachdem ihr gerade ausgeraubt worden wart, Europa eingefallen? Hattest du nichts Besseres zu tun? – – – Natürlich, Esti winkte gereizt ab, nichts ist natürlicher – – – das Chaos, das über uns hereinbricht wie ein wildes Tier – – – dass das alles, die Ordnung, das Funktionieren, einerseits nicht selbstverständlich ist, andererseits wie privilegiert es ist – – – Verwöhntsein – – – zum Dritten wie zerbrechlich, wie unterminiert.
    Die den Gegenstand der Strafhandlung bildende Tasche enthielt Ausweise und Geld – – – im Wesentlichen – – – deren Aufzählung das vorliegende Protokoll enthält. Am Tatort erschien eine Polizeistreife. Claudia Cserkaszegi hatte – – – Esti glotzte die glotzenden Arbeiter an, die Diebe – – – Strauchdiebe – – – waren bereits verschwunden – – – sofort und energisch – – – vollgeformt – – – begonnen zu telefonieren, mit der Polizei, der Stadtverwaltung, den diplomatischen Organen, der Kartensperrinstitution, sie redete, erledigte, doch ihr Gesicht zeigte die Dummheit des anhaltenden Staunens, als wäre ihr der Mund offen geblieben – – – nein – – – als wären die Gesichtszüge abgescheuert worden, eine einheitliche, teigige Oberfläche.
    Der Genauigkeit halber müssen wir hinzufügen, dass ein auf der Baustelle Angestellter bemerkte, die möglichen Straftäter seien unter dem wahrscheinlich im Polizeiregister schon verzeichneten Namen »Brüder Messud aus dem CEP-Bezirk« bekannt.
    Einer der Angestellten – – – ein zahnloser Alter – – – plötzlich waren alle verschwunden, an ihre Arbeit zurückgekehrt – – – ein dunkles Loch und vorn hing ein Zahn herab – – – sah Esti reglos an, der selbst keine Ahnung hatte, was er wollte – – – er erzählte den Fall auf Ungarisch – – – capito?, capito?, fragte Esti immer wieder, aber nichts capito, nicht einmal annähernd capito – – – nicht annähernd etwas Capitoartiges – – – da sagte der Alte ein Wort – – – als fiele ihm der letzte Zahn aus – – – messo, hörte Esti – – – Mersault – – – ja, Camus’ Mersault aus dem Fremden , der beim Tod seiner Mutter sagt, irgendwie kann man immer ein bisschen dafür – – – angeblich muss man für Camus Französisch lernen, niemand auf der Welt kommt bei der Übersetzung so schlecht weg wie Camus, behauptet die Professorin – – – Und Kafka? Die Bedrohung und das Entsetzen der Kafka-Satzstruktur?
    Haben Sie einen Verdacht, meine Dame? Fräulein, Herr Oberkommissar, Fräulein. Claudia Cserkaszegi stand in der philosophischen Grundsatzdiskussion Belmondo contra Delon wie zu erwarten auf Belmondos Seite, nichtsdestotrotz war sie in der Lage, den

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