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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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habe; egal wie es sich damit verhält, es gibt die Baroness. Die Baroness auf dem Rücksitz, die ich ausschließlich wegen der Tasche brauche. Obwohl … gäbe es keine Baroness, dann gehörte die Tasche der Professorin und die Folgen davon wären unabsehbar. Es war eher ein Handtäschchen denn eine Tasche, doch wie beim kleinen Schwartenmagen im Märchen passte alles hinein, die ganze Welt, die im Lichte der in Schilderung befindlichen Ereignisse unglücklich zu nennen ist.
    Die Pässe, verständlich. Doch warum die Draiwing leißens der Baroness, hätte Esti fragen können, er fragte nicht, die diversen Bankkarten, verständlich, doch warum zusammen mit den dazugehörigen PINs, hätte Esti fragen können, er fragte nicht, und zudem natürlich die Telefonnummer, die wir anrufen müssen, wenn wir die Karte verloren haben, und warum das ungarische Geld und warum diese Summe (diese hohe Summe), der Türschlüssel, zusammen mit dem Zweitschlüssel, der Schrankschlüssel unseres Schwiegervaters, die Rechnung der Budapester Schnellreinigung, der Schlüssel zur Speisekammer, das Adressbuch, die goldenen Ohrringe, die Mahnung der Wasserwerke zusammen mit dem Zahlschein, die Zahnspange einer entfernten Nichte, ein halbes Kilo Schweizer Kleingeld, vielleicht Rappen – warum, hätte Esti fragen können, doch er fragte nicht, denn er war klug wie die Sonne, schlau wie die Schlange und weise wie die indianischen Häuptlinge und die Großväter, er wusste genau, dass er auf seine Frage sicher eine Antwort bekommen hätte, was nicht in seinem Interesse lag.
    Der Mensch, mein Häschen, so hätte die Antwort begonnen. Dieses »mein Häschen« klingt zwar auf Portugiesisch – vermutlich – besser, doch Estis Gesicht hätte sich auf jedes »mein Häschen« zu einer schmerzlichen Grimasse verzerrt, und er wäre auf der Stelle nicht nur nach Portugal zurück geflohen, wo er, doch lassen wir das jetzt, sondern hätte sich dort dieser Baroness entledigt, davon träumte er, sie irgendwo da bei einer anmutigen Schlinge des Tejo zu verlieren, um nie mehr »mein Häschen« hören zu müssen. Dann aber flüchtet er doch nicht zurück, und falls doch, dann verliert er die Baroness nicht bei einer anmutigen Schlinge des Tejo, auch nicht anderswo; alles hat seinen Preis, und Esti ist, wenn er jetzt aufrichtig in sich geht, geneigt, diesen Preis zu zahlen, die Preise, wenn auch nicht von allem, doch die der Baroness, ohne zu überlegen, sie ist so eine süße Frau.
    Der Mensch, mein Häschen, kann so nicht leben, mit dem ständigen Argwohn, dass jederzeit seine Tasche gestohlen werden könnte, auch wenn jederzeit seine Tasche gestohlen werden könnte. Wenn ich einmal gepackt habe, Hasi, dann habe ich gepackt, und wenn ich gepackt habe, dann ist hier alles, was man braucht. Aber, Darling, man braucht nicht alles, was hier ist, nicht wahr?, Esti senkte finster den Kopf. Woraufhin die ganze Baroness ein himmlisches Lächeln ergreift, doch so, dass die Landschaft um sie herum ergrünt, sofern sie nicht auch schon vorher grün war. Ich werde nicht aufzählen, mein Häschen, was alles an dir ich vergöttere, über alles liebe, angefangen bei deinen Zehennägeln bis hin zu deinen Mandeln, um nur die Dimensionen abzustecken, aber, Hasi, was mich bis zum Erzittern erregt und wofür ich dich nicht nur als Mann, sondern auch als Mensch leiden kann, ist, dass du unfähig bist, der Verführung der formalen Logik zu widerstehen. Wenn du zum Beispiel sagst, mein Häschen … oh, wie erregend … »angenommen, aber nicht zugegeben«, ich sage nicht einmal, mein Tiger, was sich dann in mir abspielt, und zwar, bei Gott – bei Gott auf Portugiesisch! –, nicht in meiner Seele!
    Das Kennzeichen des Wagens war mit einem dunklen Stück Stoff verdeckt, in welchem Wagen die zwei Komplizen des jungen Mannes saßen. Der junge Täter – – – Nicola, immer schreiben wir »jung«, aber wenn er nun einmal jung ist, Giuseppe, was können wir da machen?, das Fräulein sagt »jung«, nicht wahr? Ja, mein Herr. Siehst du, Giuseppe, jung, schon gut, Nicola, ich habe nur das Wort gemeint, nicht den Tatbestand – – – Esti notierte auf der Stelle, das Wort, nicht der Tatbestand, ihr Postmodernesöhne, er blickte mit Anteilnahme auf die beiden Männer. Der junge Täter ist etwa zwanzig, hat kurzes Haar, dunkle Haut – – – Zigeuner, kam es Esti sofort in den ungarischen Sinn – – – Er trug ein orangefarbenes T-Shirt und schwarze, bis zum Knie reichende

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