Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
Himmel züngelten, andere wiederum lagen nachdenklich auf Pamuya Meda. Die Worte der Weisen hallten in ihnen nach und ließen sie alle in Gedanken versunken dasitzen. Das Zusammentreffen der Tochos in Tenya Nahele war verheißungsvoll und würde sie noch lange beschäftigen.
Nur die beiden Geschwister hingen an den Lippen der Alten und konnten es kaum erwarten, dass sie weitersprach. Auch wenn sie ihr eigen Fleisch und Blut waren, verabscheute die Alte das, was sie in den Augen der beiden Kinder sah. Vor allem der Junge war ihr ein Dorn im Auge. Seine Reaktion auf ihre Worte beunruhigte sie, daher hatte sie nichts weiter als böse Blicke für ihn übrig.
„Die Onida Kanti wird dem Herrscher Etenyas mit ihrer Stimme ungeheure Kraft verleihen. Hütet euch vor dieser Stimme, denn sie wird in jeden Einzelnen eindringen und sein wahres Herz berühren. Keiner wird sich ihrem Klang und ihrer Wirkung entziehen können“, sprach Pamuya Meda eindringlich, und das Herz des Jungen raste vor Bewunderung und Aufregung.
Er sah diese Fremde bereits vor sich, wie sie mit ihm sprach und ihn mit ihrer wunderbaren Stimme verzauberte. Trotz seines jungen Alters war der Dreijährige davon überzeugt, dass er alles für sie tun würde. Dies sicherte ihm sein Herz zu.
Unvermittelt erschütterte ein erneutes Grollen die Erde. Die Anwesenden tauschten nervöse und ängstliche Blicke aus, nicht wissend, was diese Reaktion der Natur zu bedeuten hatte.
Während die Alte ihr Volk beobachtete, huschte ein zufriedenes Lächeln über das runzelige Gesicht. Pamuya Meda hatte mit ihren Worten erreicht, was sie wollte. Diese Furcht gefiel ihr. Jetzt galt es nur noch, den Jungen in den Griff zu bekommen.
Sie stand auf, schritt langsam um das Feuer herum und blieb, während sie sprach, mehrmals stehen. „Die Onida Kanti wird unser Volk zu ihrem eigenen machen. Sie wird Seite an Seite mit geisterhaften Geschöpfen kämpfen, die ihr Treue bis in den Tod schwören werden.“
Der Lichtschein des Feuers, der das faltige Gesicht von unten beleuchtete, verlieh ihm etwas weitaus Unheimlicheres. Über die züngelnden Flammen hinweg sah Pamuya Meda beständig etwas in den Augen des Jungen glänzen. Darüber konnte sie nicht einfach hinwegsehen! Nein, dies war nicht vorgesehen und ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen. Bei seinem Anblick kniff sie die Augen zusammen, sodass sie sich zu kleinen Schlitzen verengten. Der Junge hingegen strahlte sie fasziniert an und stand voller Erwartung erneut auf.
Ohne ihren Blick von ihm abzuwenden, schritt Pamuya Meda zögerlich weiter um das Feuer herum auf ihn zu, bis sie direkt vor ihm stehen blieb. Unerwartet drehte sie ihm den Rücken zu, um wieder ihr Volk zu betrachten, das ein wenig vor ihr zurückschreckte. „Ihre Armee der Freien wird aus allen Teilen unserer Völker bestehen“, fuhr sie mit gepresster Stimme fort. „Und mit ihr wird sie die Harmonie unserer Welt und den Einklang zwischen den Völkern der vier Winde wiederherstellen. Sie wird einen Weg finden, ihre Macht auch in ihrer eigenen Welt zu nutzen, damit unsere Existenz nicht verblasst und Etenya eines Tages vergessen wird.“
Blitzschnell drehte sie sich zu dem Kleinen um und ging vor ihm auf dem Boden in die Hocke. Die anderen neben ihm wichen vor Ehrfurcht ein ganzes Stück zurück. Lediglich der Junge blieb vor Schreck erstarrt stehen und riss seine Augen auf. Pamuya Meda legte ihre runzeligen, kalten Hände um sein Gesicht und drehte es zum Feuer. Bereits zu Beginn der Prophezeiung war es ihr aufgefallen, doch jetzt von Nahem betrachtet, konnte sie es kaum fassen.
„Sie ist nicht für dich bestimmt, Yuma“, fauchte sie ihn plötzlich leise an, sodass nur er es hören konnte. „Wage es ja nicht, den Lauf der Dinge zu stören und das Schicksal herauszufordern. Du bist nicht vorgesehen. Vergiss das niemals!“
Seine Angst ließ dem Kleinen heiße Tränen in die Augen steigen und am gesamten Körper erzittern. Vielleicht hatte sie ja recht. Vielleicht war es ein Fehler, dass er so viel Leidenschaft und Liebe für diese prophezeite Fremde in seinem Herzen spürte. Denn eigentlich gab es keinen Grund dafür, die Worte der Weisen seines Volkes anzuzweifeln. Deshalb flüsterte er beklommen: „Gut, ich werde es nicht vergessen.“
Pamuya Meda betrachtete ihn weiterhin misstrauisch und unter ihrem rechten Augenlid zuckte ihr Gesicht. Sie wusste zwar, dass er die Wahrheit sagte, ihre Worte ihm aber dennoch nichts bedeuteten, denn
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