Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
war. Er war auf der Flucht, die nur durch einen erbitterten Kampf möglich geworden war, in dem er schlimme Verletzungen und Prellungen erlitten hatte.
Erstaunt sah sich Olivia selbst im Bett liegen und ruhig schlafen.
Woher kamen diese Erinnerungen? Lenno war nie in ihrem Zimmer gewesen.
Aber bevor sie sich darüber weitere Gedanken machen konnte, sah sie sich mit ihm im Garten. Dabei fühlte sie Lennos sehnlichsten Wunsch, dieses Versteckspiel endlich zu beenden.
In seiner Gefühlswelt war jedoch noch mehr zu finden, als die bedingungslose Hingabe für die Onida Kanti, die ihn oft verunsichert hatte und ihn an seinen wahren Gefühlen für Olivia hatte zweifeln lassen. Diese auferlegte Ergebenheit war lediglich ihre einzige Überlebenschance gewesen. Immerhin hätte er sie, ohne mit der Wimper zu zucken, an Nukpana ausgeliefert, hätte sie ihn im Bus nicht durch ihr Eindringen in seine Erinnerung auf sie neugierig gemacht, wodurch er ihr bis zur Schultür gefolgt war. Erst dadurch hatte sie überhaupt die Chance bekommen, in ihm durch den Klang ihrer Stimme diese Ergebenheit auszulösen. Aber dieses erzwungene Gefühl war schon lange nicht mehr der Grund dafür, dass der goldene Schimmer über Lennos Augen huschte oder sich sogar darin einbrannte.
Nein, es war Olivia selbst, die unerbittlich seine Gedanken und sein Herz bewegte, ihn Entscheidungen treffen ließ, die gegen alles, woran er bisher geglaubt hatte, verstießen. Er war sich mittlerweile ziemlich sicher, dass er sich nicht nur nach ihr sehnte, weil diese zwanghafte Verbindung mit der Onida Kanti zwischen ihnen existierte. Es war Olivia selbst, unabhängig von dem, was Pamuya Meda prophezeit hatte, die heimlich und unwiderruflich sein Herz berührt hatte.
***
Überrascht und verwirrt fand sich Olivia im nächsten Augenblick in dem Wohnzimmersessel wieder und starrte Lenno an. Auch er betrachtete sie erwartungsvoll und schwieg, während sein Gesicht das widerspiegelte, was er tief in seinem Innern für Olivia empfand.
Die Markierung
Olivia fehlten die Worte.
Worte, die erklären konnten, was sie gesehen und erfahren hatte.
Worte, die beschreiben konnten, was sie fühlte, nachdem sie an Lennos Erinnerungen teilgenommen hatte.
Ein heilloses Chaos tobte in ihr und sie war im ersten Moment kaum fähig, sich zu rühren, geschweige denn einen klaren Gedanken zu fassen. Lenno saß gespannt vor ihr und beobachtete sie aufmerksam, als würde er auf eine Reaktion warten. Doch sie brauchte ihre Zeit, um aus seiner Gedanken- und Gefühlswelt zurück in ihre eigene und somit in die Realität zu gleiten.
Berauscht von den gegensätzlichen Empfindungen, die in Olivia nachhallten, und dem unglaublichen Vertrauen, das Lenno ihr mit diesem Einblick geschenkt hatte, atmete sie erst einmal geräuschvoll aus, um überhaupt ein Lebenszeichen von sich zu geben.
War es möglich, dass er wirklich aus einer anderen Welt stammte? Sie ließ ihren Blick über sein Gesicht schweifen. Natürlich wirkte er mit seinen sanften Zügen, den schön geschwungenen Lippen und den hübschesten Augen, die sie je in ihrem Leben gesehen hatte, schon rein äußerlich überirdisch. Und auch alles andere an ihm, insbesondere seine Gefühle für sie, die er ihr auf diese unglaublich tolle Art gezeigt hatte, machten ihn zu jemandem, der wirklich nicht von dieser Welt sein konnte. Aber sollte das denn nicht immer so sein, wenn man sich das erste Mal in seinem Leben so richtig verliebte?
Damit sie sicher sein konnte, dass er nicht doch nur ein Traum war, streckte sie ihre Hand nach ihm aus und ließ sie vorsichtig über seine Wange gleiten. Augenblicklich entspannte sich sein Gesicht und er schloss für einen Moment die Augen. Dabei legte er seine Hand auf ihre und drehte seinen Kopf, um ihre Handinnenfläche zärtlich mit seinen Lippen zu berühren.
„Ich werde dich jetzt küssen, Lenno.“
Als ihr schließlich wenigstens diese Worte wieder einfielen, waren sie bereits überflüssig geworden. Noch während Olivia sie sagte, richtete Lenno sich auf und beugte sich längst zu ihr hinüber.
„Ich weiß“, hauchte er, kurz bevor sie seine Lippen auf ihren spürte.
Dieser Kuss löste eine Erschütterung in Olivia aus, als würden zwei Galaxien aufeinanderprallen und sie beide in einer gigantischen Welle davonschweben lassen. Weltenstillstand!
Der Rest der Welt, ihrer, seiner, ganz egal: Alles verschwand, lediglich Lenno und dieser Kuss existierten weiterhin. Das war es gewesen, was sie
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