Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
Ewigkeit immer noch keine Spur von ihr zu sehen war, stand Olivia aufgeregt auf.
Zwischenzeitlich hatte sie gebannt auf den Eingang gestarrt und auch zweimal in den Gang gespäht. Jetzt schob sie ihren Körper erneut an dem Vorhang vorbei und schaute sich um. Alles um sie herum war ruhig.
Sollte sie es wagen, auf eigene Faust loszugehen? Konnte sie sich hier verlaufen? Und wenn ja, würde man sie irgendwann wiederfinden?
Unsicher trat sie hinaus auf den Gang und machte einen Schritt in die Richtung, in der sie den Ausgang vermutete. Um den Weg auf jeden Fall zurückzufinden, wollte sie eine Spur legen. Sie wagte es jedoch nicht, ein Zeichen in die Wände zu kratzen oder auf dem sauberen Boden zu hinterlassen. Deshalb löschte sie einfach hier und da eine der unzähligen Öllämpchen längs des Weges und hoffte, dass nicht so bald jemand kam, um sie wieder anzuzünden.
Während sie durch enge Gänge und weitläufige Gewölbe schlich, bewunderte sie fasziniert das allgegenwärtige Glitzern und Funkeln an den Wänden und Decken. An den Gewölbeseiten gaben Öffnungen in den Felswänden weitere fantastische, tiefer gelegene Höhlenlandschaften preis, in denen verschiedenste Stein-, Mineralien- und Kalkgebilde aus dem Boden ragten oder von der Felsdecke herabhingen. An einer Stelle entdeckte Olivia sogar einen kleinen See, der mit so klarem Wasser gefüllt war, dass man bis auf den Grund schauen konnte. Allerdings ließ sich nicht mit bloßem Auge feststellen, wie tief das Wasser wirklich war.
Sie schaute sich kurz um, ob sie jemand beobachtete, hockte sich hin und steckte ihren Zeigefinger in das Wasser. Es war eisig und sie schüttelte sich vor Kälte.
Nach einer Weile beschlich Olivia jedoch langsam das ungute Gefühl, allein in dieser Höhle zu sein. Bisher hatte sie keine Menschenseele getroffen und alles deutete darauf hin, dass tatsächlich niemand dort war. Glücklicherweise hatte sie ein recht gutes Gedächtnis für Wege, sodass sie problemlos den Weg zurück zur großen Eingangshalle wiederfand.
Zu Olivias Überraschung schien die Sonne auf eine Weise durch die große Felsöffnung, dass deren Strahlen die Kristalle und Mineralien in allen Farben des Regenbogens funkeln ließen. Sie konnte ihren Blick kaum von den Wänden und der Decke lösen, als sie die vereinsamte Halle durchquerte, um nach draußen zu gelangen, von wo sie mehrere Stimmen hörte. Deshalb erblickte sie die Lichtung erst, als sie am Ausgang angekommen war und bereits hinaustrat. Noch ganz eingenommen von der Schönheit des Gewölbes stellte sie erstaunt fest, dass zu dieser Tageszeit dort draußen das Leben stattfand.
Die Sonne stand fast senkrecht am Himmel, woraus Olivia schloss, dass der Tag gerade erst zur Hälfte vergangen war. Die riesigen Bäume, die die Lichtung an den Stellen umrandeten, an denen keine Felsen waren, breiteten ihr Blätterdach zum Teil über die freie Fläche aus. Dadurch boten sie einen angenehmen Schatten, in dem Kinder spielten und Erwachsene verschiedenen Beschäftigungen nachkamen oder in Unterhaltungen vertieft waren. Sie schienen eine gemeinsame Pause zu machen, bevor sie ihre jeweiligen Aufgaben für die Gemeinschaft wieder aufnahmen.
Olivia stand eine Weile am Eingang der Höhle und beobachtete das allgemeine Treiben, ohne wahrgenommen zu werden.
Wer waren all diese Leute? Ob sich jeder von ihnen in einen Berglöwen verwandeln konnte?
Sie spürte, wie sich bei diesem Gedanken ihre Nackenhaare aufstellten. Wirklich vorstellen wollte sie es sich nicht. Dafür war sie nicht vertraut genug mit dieser Welt, alles war noch zu fremd für sie.
Während sie auf die Lichtung trat, legte sie, geblendet von der Sonne, ihre Hand über ihre Augen und registrierte, dass sich auf der anderen Seite im Schatten jemand erhob und auf sie zukam. Sie blinzelte ein wenig, konnte allerdings nicht sofort sehen, wer es war. Erst als sie selbst in den vor der Helligkeit geschützten Höhleneingang zurücktrat, erkannte sie Lenno, der mit festem Schritt lächelnd auf sie zuging. Der goldene Schimmer in seinen Augen verriet ihr, wie sehr es ihm gefiel, sie entdeckt zu haben und zauberte ihr ebenfalls ein Lächeln ins Gesicht. Das wiederum schien Lenno noch mehr zu erfreuen, denn er lachte nun sein einzigartiges Lachen, das Olivia so an ihm liebte.
Angesichts der Drohungen seiner Mutter fiel es ihr schwer, die aufmerksam erhobenen Blicke der anderen um sie herum vollkommen zu ignorieren. Sie waren zunächst Lennos Bewegungen
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