Eternal - Die Vampire von Clare Point
schnurrte zufrieden und verurteilte sie nicht. Das tat Fia schon selbst.
Sie hatte doch solche Fortschritte gemacht. Seit Wochen hatte sie keinem Menschen mehr Blut ausgesaugt. Was war nur los mit ihr? Warum hatte sie zugelassen, dass Joseph diesen Knopf bei ihr drückte? Warum hatte sie sich an dem Anzug aus der Bar abreagiert, einem Unschuldigen, der nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war?
Sie dachte an Special Agent Glen Duncan – an seinen Blick an jenem Abend, als sie zusammen ins Motel gegangen waren. Die Gier nach Menschenblut hatte sich damals zurückgemeldet. Es war ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar gewesen, aber rückblickend wusste sie, dass es stimmte. Sie gingen Hand in Hand – sexuelles Verlangen und der Durst nach Menschenblut.
Fias Handy, das stumm geschaltet war, vibrierte auf dem Nachttisch. Sie warf einen Blick auf die roten Ziffern der Digitaluhr daneben. 3.05 Uhr. Sie rollte sich auf die Seite, mit dem Rücken zum Handy. Joseph rief nun schon zum dritten Mal innerhalb der letzten Stunde an.
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7
J oseph rief am Samstag zwei weitere Male an. Sie ignorierte die Anrufe und löschte seine Nachrichten, ohne sie abgehört zu haben. Vielleicht eine pubertäre, aber auch eine sehr effektive Vermeidungsstrategie.
Zutiefst zerknirscht darüber, was sie dem Anwalt angetan hatte, arbeitete sie den ganzen Samstag durch. Sie flüchtete sich noch mehr als gewöhnlich in ihre Arbeit. Fia war dankbar, dass es im Büro so friedlich war; dankbar, sich so in ihren Papierkram vertiefen zu können, dass sie nicht an Bobbys kopflosen Leichnam denken musste, der jetzt in der Leichenhalle des einzigen Bestatters von Clare Point aufgebahrt lag.
Am Samstagabend schaltete sie das Handy ab, lieh sich eine DVD aus, ließ sich Essen vom Chinesen kommen und blieb zu Hause. Am Sonntag schlief sie lange aus, reinigte das Katzenklo, putzte das Bad und ging mit ihrer alten Nachbarin Betty zum Supermarkt.
Sie und Betty Gold waren gute Freundinnen. Betty kannte Fias Geschichte nicht, Fia kannte die der Deutschen nicht, und beide schienen zufrieden, dass sie es dabei belassen konnten. Keine stellte der anderen Fragen. Betty wollte nie wissen, warum Fia so oft wie eine Edelnutte aufgetakelt spätnachts nach Hause kam, und Fia wollte nicht wissen, was es mit Bettys Glasauge und der eintätowierten Nummer auf ihrem Unterarm auf sich hatte.
Am Montag hatte Fia der Büroalltag wieder. Sie bearbeitete ihre Fälle und widerstand der Versuchung, Bobbys Akte aus der untersten Schublade zu holen und die Fotos von seinem kopf- und fußlosen Torso zu studieren. Die Forensik hatte noch keinen Bericht geschickt. Nicht, dass sie einen erwähnenswerten Befund erwartet hätte. Der Tatort war zu sauber gewesen.
An diesem Abend kuschelte sie sich in eine Ecke ihres Sofas, nahm den Laptop auf die Knie und vergrub sich in die FBI -Akten enthaupteter Opfer. In den USA hatte es in den letzten zwanzig Jahren mehr davon gegeben, als man hätte meinen können. Von Vampirenthauptungen war allerdings keine Rede.
Sie machte sich Notizen über die möglichen psychologischen Gründe, Körperteile von Opfern abzutrennen und zu entfernen. Dann überlegte sie, Special Agent Duncan anzurufen und ihm mitzuteilen, was sie in Erfahrung gebracht hatte – was tatsächlich sehr wenig war. Die menschliche Psyche war kompliziert und wurde noch komplizierter, wenn es um Mord ging.
Sie dachte an Glen. Fragte sich, ob er am Rechner saß und die Hunderte Seiten von Daten durchsah, die ihm als FBI -Agenten zugänglich waren, oder ob er mit seiner Verlobten gerade irgendwo einen Cocktail trank. Es war albern, ihn zu Hause anzurufen. Unpassend.
Als das Telefon um acht klingelte, sah sie die Nummer ihrer Eltern auf dem Display und nahm wider besseren Wissens den Anruf entgegen. Es war natürlich ihre Mutter. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte ihr Vater sie noch nie angerufen. Nicht, seitdem Alexander Bell das Telefon erfunden hatte.
»Bist du zu Hause?«
»Ich bin zu Hause, Ma. Deshalb konnte ich ja auch an mein Festnetztelefon gehen.« Fia schloss die FBI -Akte über eine Enthauptung in Louisiana von 1967 – Voodoo war im Spiel gewesen – und öffnete ihren E-Mail-Account.
»Du bist nicht auf Bobbys Beerdigung gewesen. Dein Vater hat gesagt, dass du nicht kommen würdest.«
»Das habe ich euch doch schon am Donnerstag gesagt, bevor ich gefahren bin. Ich hatte ein paar Fälle auf dem Tisch. Ich habe das ganze Wochenende
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