Eternal - Die Vampire von Clare Point
Medizinerkongress oder so?« Fia nahm noch einen Schluck; ihre Stimme klang absichtlich gleichgültig. So kühl wie das Glas in ihrer Hand. »Ist das der Grund, warum du hier bist? In den alten Jagdgründen nach dem Rechten sehen?«
Er nahm einen Schluck von seinem Wodka auf Eis, wobei sich seine sinnlichen Lippen um den Rand des Glases legten. »Mein Partner und ich eröffnen eine neue Praxis. Hier an der Ostküste, denke ich.«
Sie heftete den Blick auf ihn, während sie ihm ihre Hand entzog. »Joseph, das kannst du nicht tun.«
»Ich kann. Ich hab’s schon getan.«
»Es ist gefährlich«, beharrte sie und glitt von ihrem Barhocker herunter. Damit hatte sie nicht gerechnet, nicht einmal nach seinem Anruf. Nicht jetzt – sie konnte sich jetzt nicht auch noch mit Josephs Rückkehr beschäftigen.
Plötzlich hatte sie das Gefühl zu ersticken. Der Rauch. Der Geruch der Menschen und ihres pulsierenden Blutes. Die Reflexionen in dem Spiegel über der Bar verschwammen auf einmal. Sie zeigten keine Menschen mehr, sondern Geister aus ihrer Vergangenheit, die vorüberhuschten; die einen waren unheimlich still, andere wieder schrien gellend in ihrem Kopf.
»Noch mal«, sagte er, während er die Eiswürfel auf dem Boden seines Glases betrachtete. »Gefährlich für wen?«
Überwältigt von dem Gefühl, das plötzlich in ihr aufstieg, ließ Fia ihn stehen. Sie ging. Sie ignorierte ihn, als er ihren Namen rief. Ignorierte die Menschen-Geister, die sie anstarrten. Sie trat aus der Bar in die heiße, schwüle Nachtluft hinaus. Sie hatte ganz bestimmt vorgehabt, geradewegs zu ihrem Wagen zu gehen, fand sich jedoch nur Minuten später auf einem anderen Barhocker wieder. Der Mann neben ihr sah nicht annähernd so gut aus wie Joseph, aber er trug einen schönen Anzug und trank achtzehn Jahre alten Scotch. Sie ließ es geschehen, dass er ihr ein Perrier ausgab.
Die Dunkelheit, die Nähe der Menschen, die Stimme des Anzugs neben ihr pulsierten im Takt der Musik, die aus den versteckten Lautsprechern plärrte, und wirbelten in ihrem Kopf herum. Der Anzug war Rechtsanwalt. Nach einer halben Stunde hatte sie die Namen einiger seiner prominenten Kunden erfahren, und auch, dass er jährlich einen hohen sechsstelligen Betrag verdiente und warum er und seine Frau sich hatten scheiden lassen. Das Nachlassen der sexuellen Anziehungskraft war natürlich ein großes Thema gewesen bei ihm und Penny … Peggy … Pilly.
Auch seinen Namen bekam sie nicht mit. Aber das machte nichts. Sie wollte sich am nächsten Morgen nicht daran erinnern müssen.
Fia wusste nicht, was sie wegen Joseph unternehmen sollte. In der nächsten Woche hatte sie einen Termin bei ihrer Therapeutin. Dr. Kettleman würde darüber reden wollen. Sie würden auch über Bobby reden. Über Fias Gefühl der Unzulänglichkeit, wenn sie nach Hause zurückkehrte. Über ihr Gefühl, schuld daran zu sein, dass ihr Vater noch immer enttäuscht von ihr war.
Der Anzug plapperte weiter, bestellte weiter Drinks. Er hatte schon ziemlich viel getankt. Zunächst hatte er sie für eine Edelnutte gehalten, was sie amüsierte. Sie nahm an, dass man in Jersey nicht viele Professionelle zu Gesicht bekam, die so kurze Röcke trugen wie sie. Er sagte ihr immer wieder, wie schön sie sei und wie einschüchternd sie auf manche Männer wirken müsse. Er aber war nicht eingeschüchtert. Zu betrunken oder zu dumm, dachte sie.
Fia saß da und ließ sein Gefasel über sich ergehen: was er schon alles erreicht und dass er sich soeben ein Penthouse mit Blick über den Fluss gekauft hatte. Wahrscheinlich von einem teuren Designer ausgestattet, mit einer kleinen Bar im Wohnzimmer und sündteurer Bettwäsche.
Als er sie fragte, ob sie es sich nicht selbst ansehen wolle, wusste sie, dass sie lieber nein sagen sollte. Nein sagen musste, aber er machte es ihr doch so einfach. Sie könnten zu Fuß hingehen, sagte er, und sie musste sofort an dunkle Straßen und spärlich erleuchtete Gassen denken.
Und er war so sturzbetrunken …
Während sie an seinem Arm aus der Bar kam, überlegte sie, ob sie ihn nicht vor den Gefahren warnen sollte, die es mit sich brachte, wenn man Frauen in Bars aufriss. Aus ihrer Sicht als Gesetzeshüterin spielte er mit dem Feuer. In seinem Zustand konnte er leicht ausgeraubt, schlimmstenfalls ermordet werden – von dem Risiko, eine Menge Blut zu verlieren, ganz zu schweigen …
Sie gingen an der Bar vorüber, in der sie vorhin Joseph getroffen hatte. Sie konnte seine
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