Eternal Riders: Limos (German Edition)
Sheoul gelebt hatte, und auch noch gut tausend Jahre, nachdem sie das Reich der Menschen betreten hatte, waren nichts als Lügen aus ihrem Mund gekommen. Vielleicht würde sich dieser Rückfall doch nicht als so schlimm herausstellen.
Zumindest nicht, solange niemand von den Dingen erfuhr, über die sie gelogen hatte.
Ariks Blick senkte sich wieder auf seinen Teller. »Du hast mich reingelegt«, sagte er mit gequälter Stimme.
Ja, das hatte sie, aber deswegen fühlte sie sich alles andere als schlecht. »Du musstest etwas essen. Und ich wollte dir auf gar keinen Fall … wie hast du es ausgedrückt? … Eingeweide und Augen vorsetzen.«
Eine ganze Weile saß er regungslos da. Dann griff er langsam nach dem Burger. Als seine Hände zitterten, stieß er einen Fluch aus und legte sie rasch wieder in den Schoß. Nachdem weitere fünf Minuten vergangen waren, versuchte er es erneut. Gerade als seine Finger das Brötchen berührten, zwitscherte ein Vogel, und er zuckte zurück, die Hände erhoben, als ob er einen Schlag erwartete.
Limos blutete das Herz. Wie seltsam, dass ihre Brüder, die einst zarte, empfindliche Babys gewesen waren, hart geworden waren, je älter sie wurden, während es bei Limos das genaue Gegenteil war. Sie war von Dämonen aufgezogen worden, die von ihr erwarteten, dass Grausamkeit ihr zur zweiten Natur würde. Sie war härter als ein Diamant und unfähig zu Mitgefühl oder Liebe gewesen, als sie im Reich der Menschen angekommen war. Doch nach und nach hatte sie gelernt zu fühlen, und wo ihre Brüder Mauern errichtet hatten, hatte sie die ihren eingerissen.
Arik besaß das Potenzial, auch noch die allerletzte zum Einsturz zu bringen, und dieser Gedanke erschreckte und erregte sie zugleich. Sie konnte es sich nicht leisten, durch ihre Gefühle verwundbar zu werden, und doch wünschte sie sich seit Langem nur eines: eine Beziehung.
Allerdings war die Beziehung, die sie sich vor so langer Zeit gewünscht hatte, eine ganz andere gewesen als die, die sie sich jetzt wünschte.
Als niemand aus den Ecken auftauchte, um Arik zu schlagen, hob er den Burger auf. Seine Kehle arbeitete heftig, schon bevor er ihn an den Mund hob. Mit wildem Blick nahm er einen Bissen. Als auch diesmal niemand aus dem Nichts auftauchte, um ihn zu foltern, entspannte er sich ein wenig und begann zu kauen. Dann nahm er einen weiteren Bissen. Und noch einen. Schließlich schlang er den Burger hinunter wie ein ausgehungerter Hund, und sobald er fertig war, leerte er die Bierflasche in einem Zug.
Ganz behutsam stellte er die Flasche wieder hin. »Das ist wirklich real, oder?«, flüsterte er.
»Ja«, flüsterte sie zurück.
Er neigte den Kopf und begann am ganzen Körper so heftig zu zittern, dass der Stuhl über den Boden rumpelte. »Wie? Wie bin ich dort herausgekommen?«
»Du bist geflohen.« Am liebsten wäre sie zu ihm gegangen, hätte ihn fest umarmt, aber er war in diesem Augenblick sehr zerbrechlich, und sie wollte nichts tun, was ihn womöglich in seinen geistigen Albtraum zurückschicken könnte. »Kynan und ich haben dich am Höllenschlund am Erta Ale gefunden.«
Er blickte auf. Zu ihrer Erleichterung entdeckte sie keine Spur von Argwohn mehr in seiner Miene. »Woher wusstet ihr, dass ihr dort suchen müsst?«
Sie grinste. »Kynan hat ein paar Buchmacher interviewt, und ich habe einen von deinen Folterknechten gefoltert.«
»Gut.« Einer seiner Mundwinkel hob sich. Wow, es war toll, ihn lächeln zu sehen.
Sie erwiderte das Lächeln mit einem durchtriebenen Zwinkern, woraufhin sie sich eines beglückenden Schwirrens bewusst wurde, eines Gefühls, das dem glich, das sie erlebte, wenn sie log. War es das, was verliebte Menschen Schmetterlinge im Bauch nannten?
Nicht, dass sie verliebt wäre. So sehr sie es genoss, davon zu träumen, eine normale, glückliche Beziehung zu haben, war so etwas für sie einfach nicht vorgesehen.
»Hat jedenfalls Spaß gemacht.« Sie zeigte auf seinen leeren Teller. »Willst du noch einen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht mehr gewöhnt, viel zu essen. Ich bin ziemlich satt.« Er blickte durchs Fenster hinaus, aber dahin, wohin er ging, konnte sie ihm nicht folgen. »Wer weiß alles, dass ich hier bin?« Sein Kopf fuhr zu ihr herum. »Meine Schwester muss ja schon halb wahnsinnig sein –«
»Nein.« Ihre Finger schlossen sich fester um die mit Kondenswasser beschlagene Bierflasche. »Eidolon und Shade waren hier, um dich zu heilen, also weiß deine Schwester, dass es
Weitere Kostenlose Bücher