Ethan von Athos
großen, gentechnisch erzeugten Supersoldaten, oder mit irgend etwas anderem, ganz nach Wunsch.« Sie schwieg und nippte an ihrem Bier.
»Was tun wir also als nächstes?«, sondierte er mutig.
Sie runzelte die Stirn. »Ich denke darüber nach. Ich habe diese Geschichte mit Okita eigentlich nicht vorhergeplant, wissen Sie. Ich habe keine Befehle, in diese Geschichte aktiv einzugreifen – ich sollte nur beobachten. Professionell gesprochen, hätte ich Sie gar nicht retten sollen. Ich hätte nur beobachten und später mit Bedauern Admiral Naismith von Ihrem Sturz berichten sollen.«
»Wird er über Sie verärgert sein?«, forschte Ethan nervös in einer plötzlichen paranoiden Vorstellung, wie ihr Admiral unnachgiebig befahl, das ursprüngliche Gleichgewicht wieder herzustellen und ihn Okita hinterherzuschicken.
»Nö. Er hat selbst auch unprofessionelle Momente. Schrecklich unpraktisch, das wird ihn eines Tages noch umbringen. Allerdings scheint er bisher in der Lage zu sein, durch bloße Willenskraft dafür zu sorgen, dass die Dinge richtig ausgehen.« Sie nahm den letzten Leckerbissen vom Teller, trank ihr Bier aus und stand auf. »Also. Als nächstes beobachte ich Millisor noch etwas eingehender. Falls er noch mehr Leute dabei hat, als ich bisher herausfinden konnte, dann sollte seine Suche nach Ihnen und Okita sie ans Licht bringen. Sie können sich hier verstecken. Verlassen Sie das Zimmer nicht.«
Wieder eingesperrt, wenn auch diesmal bequemer. »Aber was ist mit meinen Kleidern, meinem Gepäck, meinem Zimmer …« Seine Economy-Kabine wurde zwar nicht benutzt, ließ aber trotzdem seine Rechnung weiter wachsen. »Mit meiner Mission!«
»Sie dürfen sich auf keinen Fall Ihrem Zimmer nähern!« Sie seufzte. »Es sind doch acht Monate bis zu Ihrem Rückflug nach Athos, nicht wahr? Ich sage Ihnen was – Sie helfen mir bei meiner Mission, und dann helfe ich Ihnen bei der Ihren. Wenn Sie tun, was ich sage, dann könnten Sie sogar überleben und Ihre Mission erfüllen.«
»Immer unter der Annahme«, sagte Ethan, »dass Ghem-Oberst Millisor nicht das Haus Bharaputra oder Admiral Naismith für Ihre Dienste überbietet.«
Mit einem Achselzucken zog sie ihre Jacke an, ein schweres Ding mit einer Menge Taschen, das viel mehr Schwung zu haben schien, als sich mit dem Gewicht des Stoffes erklären ließ. »In einem Punkt sollten Sie auf der Stelle Ihre Auffassungen korrigieren, Athosianer. Es gibt Dinge, die man mit Geld nicht kaufen kann.«
»Was denn, Söldnerin?«
Sie hielt an der Tür an. Obwohl ihre Augen Funken sprühten, verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln. »Unprofessionelle Momente.«
Den ersten Tag seiner halbfreiwilligen Gefangenschaft verbrachte Ethan damit, die Erschöpfung, den Schrecken und die biochemischen Cocktails der vorhergehenden 24 Stunden auszuschlafen. Er erwachte nur einmal benommen, als Kommandantin Quinn auf Zehenspitzen das Zimmer verließ, versank aber gleich wieder in Schlaf. Als er viel später zum zweiten Mal erwachte, fand er sie schlafend auf dem Boden ausgestreckt, in Uniformhose und Hemd gekleidet, ihre Jacke hing griffbereit in der Nähe. Als er ins Bad taumelte, öffneten sich ihre Augen zu Schlitzen, und ihr Blick folgte ihm.
Am zweiten Tag fand er heraus, dass Kommandantin Quinn ihn während der langen Stunden ihrer Abwesenheiten nicht einsperrte. Als er dies entdeckt hatte, stand er zwanzig Minuten unentschlossen im Korridor und versuchte ein rationales Programm für seine Freiheit zu entwickeln, ohne auf der Stelle von Millisor geschnappt zu werden, der inzwischen zweifellos die ganze Station auf der Suche nach ihm auf den Kopf stellte. Als ein Reinigungsroboter surrend um die Ecke kam, flitzte Ethan wieder ins Zimmer. Sein Herz pochte heftig. Vielleicht würde es nicht schaden, sich noch ein wenig länger von der Söldnerin beschützen zu lassen.
Am dritten Tag hatte er genug von seiner angeborenen Geisteshaltung zurückgewonnen, um sich ernstlich Sorgen über seine Zwangslage zu machen, verfügte allerdings noch nicht über genügend physische Energie, um etwas zu unternehmen. Verspätet begann er, anhand der Komkonsolenbibliothek sein Wissen über galaktische Geschichte zu erweitern.
Am Ende des nächsten Tages wurde er sich schmerzlich der Unzulänglichkeit einer kulturellen Unterrichtung bewusst, die aus zwei sehr allgemeinen Werken über galaktische Geschichte, einer Geschichte von Cetaganda und einem Fiction-Holovid mit dem Titel ›Der wilde Stern der
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