Ethan von Athos
immerzu Menschen beurteilen«, sagte sie bedächtig. »Wir beurteilen Taten wie auch Worte und Auftreten. Wir stellen Vermutungen aufgrund unserer Vorstellungen an. Wir setzen auf jemanden Vertrauen, wenn Sie wollen«, sie nickte Ethan zu, der, von seinem ehrlichen Gewissen getrieben, zurücknickte, obwohl er nicht wünschte, eines ihrer Argumente zu unterstützen.
Cee ging im Zimmer auf und ab. »Sowohl Handlungen als auch Lügen können erzwungen sein, gegen den wirklichen Willen. Durch Furcht oder andere Dinge, wie ich weiß.« Er wandte sich um, drehte sich noch einmal um. »Ich muss es wissen. Ich muss es wissen.« Er blieb stehen, fixierte beide mit einem Blick, wie ein Mann, der die schwärzeste Nacht ergründen möchte. »Geben Sie mir etwas Tyramin. Dann werden wir miteinander reden. Dann kann ich wissen, was Sie wirklich sind.«
Ethan fragte sich, ob sich in seinem Gesicht das gleiche Entsetzen abzeichnete wie in Quinns. Sie sahen einander an und brauchten keine Telepathie, um sich die Gedanken des anderen vorstellen zu können, Quinn war zweifellos vollgestopft mit geheimen Vorgängen des Dendarii-Nachrichtendienstes, er selbst, nun ja – Cee würde schließlich zwangsläufig herausfinden, welchen Fehler er gemacht hatte, indem er bei Ethan Schutz suchte. Vielleicht sollte er es lieber nicht auf die harte Art und Weise erfahren. Ethan seufzte vor Bedauern, dass das schmeichelhaft überhöhte Bild, das Cee von ihm hatte, zerstört werden würde. Aber ein Narr, der verheimlichen will, dass er ein Narr ist, ist ein doppelter Narr. »Ich bin einverstanden«, willigte er düster ein.
Quinn kaute zerstreut auf der Lippe. »Das ist veraltet«, murmelte sie, »und das ebenfalls, und das muss inzwischen geändert worden sein – und all das weiß Millisor schon. Und der Rest ist rein privat.« Sie blickte auf. »In Ordnung.«
Cee schien verblüfft zu sein. »Sie sind einverstanden?«
Quinn verzog spöttisch den Mund. »Das erste Mal, dass der Botschafter und ich über eine Sache einer Meinung sind, glaube ich.« Sie hob ihre Augenbrauen und blickte Ethan an, doch der murmelte nur »Hm«.
»Haben Sie Zugang zu reinem Tyramin?«, wollte Cee von ihnen wissen. »Vorrätig?«
»Oh, jede Apotheke dürfte es auf Lager haben«, sagte Ethan. »Es gibt einige klinische Verwendungen bei …«
»In eine Apotheke zu gehen wird ein Problem sein«, begann Cee grimmig, da platzte Quinn in einem Ton plötzlicher Erleuchtung heraus: »Oh. Oh.«
»Was: Oh?«, fragte Ethan.
»Jetzt verstehe ich, warum Millisor sich solche Mühe gegeben hat, um in das kommerzielle Computernetz einzudringen, aber nicht, um in das militärische hineinzukommen. Ich konnte nicht begreifen, wie er sie wohl hätte verwechseln können.« Die Befriedigung, ein Rätsel gelöst zu haben, leuchtete in ihren dunklen Augen.
»Was?«, fragte Ethan.
»Das ist eine Falle, stimmt’s?«, sagte Quinn.
Cee nickte bestätigend.
Sie erklärte es Ethan: »Millisor hat in das kommerzielle Computernetz eine Melderoutine eingeschmuggelt. Ich wette, wenn irgend jemand auf Station Kline reines Tyramin kauft, dann geht in Millisors Lauschposten ein Alarm los, und dann taucht Rau oder Setti oder jemand anderer auf – vorsichtig, weil es ja sicher auch falschen Alarm geben kann – und – o ja. Sehr hübsch.« Sie nickte mit professioneller Anerkennung.
Sie saß einen Moment lang da und kratzte geistesabwesend an einem ihrer vollkommenen Schneidezähne. Eine ehemalige Nägelkauerin, diagnostizierte Ethan. »Vielleicht finde ich einen Weg da drum herum«, murmelte sie.
Ethan hatte nie zuvor einen Lauschposten für Spionage eingenommen, und er fand die Apparate faszinierend. Terrence Cee schien nüchtern vertraut mit ihren Funktionsprinzipien zu sein, wenn auch nicht unbedingt mit den speziellen Modellen. Die Dendarii begeisterten sich anscheinend sehr für Mikrominiaturisierung nach betanischer Art. Nur die Notwendigkeit einer Schnittstelle für plumpe menschliche Augen und Finger hatte der Steuerkonsole, die auf dem Tisch zwischen Cee und Ethan geöffnet lag, die Größe eines kleinen Notizbuches verliehen.
Die von der kleinen Holovidscheibe dargebotene Sicht der Stationspassage, wo Quinn jetzt stand, tendierte dazu, ziemlich desorientierend mit den Bewegungen ihres Kopfes zu hüpfen, da die Vidaufnahmegeräte in ihren winzigen Glasperlenohrringen versteckt waren. Aber mit Konzentration und etwas Übung fand sich Ethan in der Projektion versunken und empfand
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