Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
achten. Dieser Respekt kann verhindern, dass die Integrität des Gegners auf dem Altar des Siegeswillens geopfert wird. Fouls, bei denen eine Verletzung des Gegners bewusst in Kauf genommen wird, oder die öffentliche Herabsetzung eines Gegners vertragen sich mit diesem Respekt nicht. Unlautere Mittel, die dazu dienen, sich einen sportlichen Vorteil zu erschleichen, sind mit diesem Fairnessprinzip unvereinbar. Doping verletzt nicht nur den Respekt vor sich selbst, weil es den Charakter einer Selbstschädigung trägt, sondern ebenso vor Anderen, weil es den Wettbewerb verzerrt. Bestechung, Wettbetrug und Korruption unterscheiden sich in ihrer moralischen Qualität nicht von Doping. Wenn die Vergabe von Wettkämpfen mit sachfremden Interessen verbunden oder mit unlauteren Mitteln beeinflusst wird, schadet dies dem Ansehen und der Vorbildwirkung des Sports genauso wie der Einsatz unfairer oder unlauterer Mittel im sportlichen Wettkampf selbst.
Der Respekt vor dem Anderen schließt den respektvollen Umgang mit sich selbst ein. Er kann verhindern, dass sportlicher Ehrgeiz in Selbstgefährdung umschlägt. Gesundheitsschädliche Trainingsformen oder das Auslaugen von Körper, Seele und Geist um des sportlichen Erfolgs willen stehen dazu im Widerspruch. Zu Recht wird in den Respekt als sportethischen Grundwert in neuerer Zeit verstärkt auch der Respekt vor der Umwelt einbezogen; Nachhaltigkeit in der Gestaltung von Sportstätten und in der Art der Sportausübung ist eine der wichtigsten Konsequenzen.
Für die Zukunftschancen der Fairness ist die sportethische Bildung von Trainern und Eltern besonders wichtig. Maßstäbe setzen aber vor allem diejenigen Spitzensportler, die Jugendliche sich zum Vorbild undvielleicht sogar zum Idol wählen. Das Erlebnis, dass Leistungssport auf höchster Ebene in sportlichem Geist und mit fairen Mitteln betrieben werden kann, ist durch nichts zu ersetzen.
Eine massive ethische Gefährdung des Sports ergibt sich aus der Entwicklung der
Fankultur
. Radikale Fans neigen dazu, die Identifikation mit ihrer Mannschaft nicht nur auf dem Sportplatz bis zum Äußersten auszuleben, sondern auch zu einem bestimmenden Moment ihres Alltags zu machen. Dass sie den Spiel-Charakter des sportlichen Wettkampfs ignorieren, zeigt sich gerade daran, dass die Grenze zwischen Sport und Alltag verschwimmt. Damit verbindet sich eine Gefahr, die der indische Nationalökonom und Nobelpreisträger Amartya Sen auf den Begriff der «Identitätsfalle» gebracht hat. Wenn Einzelne oder Gruppen ihre Identität auf ein einziges Identitätsmerkmal reduzieren oder von anderen in ihrer Identität auf dieses eine Merkmal reduziert werden, ist die Eskalation von Konflikten nahezu unvermeidlich (Sen 2007). Dem Sport nützt eine solche Totalidentifikation nicht, ganz im Gegenteil – sie gefährdet ihn insbesondere durch die damit verbundene Gewaltbereitschaft. Der Sport ist auf Menschen angewiesen, die sich noch für anderes interessieren als nur für den Sport. Auch Leistungssportler oder Schiedsrichter können nur dann Vorbilder sein, wenn ihr Horizont über den Sport hinausreicht.
In krassem Gegensatz zum Geist der Fairness stehen menschenfeindliche Abwertungen der gegnerischen Mannschaft und ihrer Fans. Gehässigkeit in Fußballstadien erschöpft sich schon längst nicht mehr in rassistischen und fremdenfeindlichen Parolen. Für den weiteren Zusammenhang, in dem diese Haltungen stehen, hat der Bielefelder Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer den Begriff der «Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit» geprägt. Im Sport wird diese Menschenfeindlichkeit in einer «Hierarchie der Diskriminierungen» praktiziert (Pilz 2011). Bestimmte Diskriminierungen – vor allem homophober und sexistischer Art – werden hingenommen, weil sie im Männlichkeitskult des Sports als unvermeidbar gelten; gegenüber Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wird im Vergleich dazu nachdrücklicher Position bezogen. Der Versuch rechtsextremer Gruppierungen und Parteien, in die Szene von Sportfans einzudringen, knüpft aber keineswegs nur an rassistische und fremdenfeindliche Motive an, sondern ebenso an die weithin akzeptierten homophoben und sexistischen Parolen und Gesänge. Wichtiger noch als eine solche Überlegungist die Einsicht, dass eine Unterscheidung von Diskriminierten erster und zweiter Klasse in sich selbst diskriminierend ist. Der Sport muss entschlossen für die Unteilbarkeit der Menschenwürde eintreten.
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