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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Huber
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Beispiel für die ethische Relevanz der Kultur soll die Kunst dienen – derjenige Bereich also, der oft unreflektiert mit der Kultur insgesamt gleichgesetzt wird. Literatur und bildende Kunst, Musik und Tanz, Film und Theater tragen in herausgehobener Weise zur Bildung symbolischer Welten bei. Dabei ist zunächst eine wichtige Parallele zum Sport zu bedenken: Ähnlich wie Breitensport und Leistungssport einander gegenüberstehen, sind auch die künstlerischen Aktivitäten von Laien und Experten voneinander zu unterscheiden. So sehr künstlerisches Wirken auf Begabung und Können angewiesen ist, so sehr gilt zugleich, dass es sich nicht auf den Beruf der Künstlerin und des Künstlers beschränken lässt. Begabungen können sich nur zeigen, wenn jeder und jedem die Möglichkeit zur künstlerischen Betätigung gegeben wird. Malen, Musizieren, Theaterspielen oder auch Dichten sind elementare künstlerische Ausdrucksformen, zu denen jeder Mensch einen mehr oder minder ausgeprägten Zugang hat.
    Besonders deutlich lässt sich der Wandel des Verhältnisses zur Kunst am Beispiel des Musizierens zeigen. Über lange Zeit galt es als ausgemacht, dass nur Kinder ein Musikinstrument erlernen sollten, die über eine musikalische Begabung verfügten und deren Eltern das Instrument und den Unterricht finanzieren konnten. Die Gegenbewegung gegen eine solche Engführung lässt sich in dem pädagogischen Konzept «Jedem Kind ein Instrument» erkennen. Die in Nordrhein-Westfalen entwickelte Idee besteht darin, in der Grundschulzeit jedem Kind zunächst eine allgemein-musikalische Grundbildung zu vermitteln und ihm dann die Möglichkeit zu eröffnen, sich ein Musikinstrument zu wählen und es in den folgenden drei Grundschuljahren zu erlernen (Grunenberg 2012). Grundschulorchester bilden ein Kernstück dieses Konzepts. Was bislang eher durch die Bedeutung des Singens in Kindergarten und Grundschule vertraut war, wird auf den Umgang mit Musikinstrumenten übertragen. Dadurch wird der Zugang zu kultureller Bildung geebnet; der besondereBildungsbeitrag des Musizierens – die Verbindung von Freude und Präzision, das Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten und das Zusammenspiel mit Anderen, die Zusammengehörigkeit von Hören und Ausüben – kann sich so im Primarbereich entfalten. Die Vorstellung, musikalische Bildung sei einer bestimmten Schicht vorbehalten, wird durchbrochen. Am Beispiel der Musik wird erkennbar, dass jedes Kind einen Zugang zu kulturellem Selbstausdruck hat. Für manche wird die Tür dazu geöffnet, dass sie dauerhafte Freude und Durchhaltekraft zum Spielen eines Instruments entwickeln, für alle Kinder erschließt sich der Zugang zum bewussten Hören von Musik. Dies lässt sich auch in weiterführenden Schulen fortsetzen.
    Schon der moralische Grundsatz, dass der Zugang zur Kunst grundsätzlich allen offen steht, nötigt dazu, den Unterschied zwischen Populärkultur und Hochkultur nicht zum Gegensatz zu stilisieren. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil die Grenze zwischen beiden nicht einfach zu ziehen ist. Es gibt außerordentlich populäre Werke der Hochkultur – Filme oder Bilder, Musikstücke oder Bücher – und solche der Popkultur von großer künstlerischer Kraft und Raffinesse. Nur wenn man den Zusammenhang zwischen beiden aufrechterhält, kann man darauf hoffen, dass Populärkultur bei aller Bindung an den schönen Schein und die Inszenierung des Alltags nicht in Trivialitäten versinkt (vgl. EKD 2002: 38ff.). Darin liegt eine wichtige Voraussetzung dafür, die Chancen von Populärkultur zu nutzen. Sie präsentiert in einfachen Formen und leicht nachvollziehbaren Inhalten Themen der eigenen Zeit und bietet Ausdrucksformen für ein gegenwärtiges Weltgefühl an. Sie eröffnet dadurch einen Kulturzugang, der von unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen weitgehend unabhängig ist. Sie enthält nicht nur breit gestreute Möglichkeiten der Rezeption, sondern auch der aktiven Beteiligung. Doch über der Würdigung der Populärkultur darf die Förderung anspruchsvollerer künstlerischer Formen nicht zurücktreten.
    Vielmehr ist die Förderung von Kultur insgesamt als hochrangige Gemeinschaftsaufgabe anzuerkennen. Um den Eigenwert von Kultur zu erhalten, ist mehr nötig als ihre Betrachtung als Wirtschaftsgut. Zwar ist Kunst stets auch eine Ware; sie soll den Lebensunterhalt derjenigen sichern, die Kunst zu ihrem Beruf gemacht haben. Doch hohe Qualität und Vielfalt lassen sich nicht allein über den Markt

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