Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

-intensiver Verkehrsmittel beeinflussen die Lebensbedingungen künftiger Generationen. Auch die Fernwirkungen des eigenen Handelns sind bei der Abwägung möglicher Alternativen zu berücksichtigen. Deshalb ist es nicht nur grundsätzlich angemessen, sondern auch von erheblicher praktischer Bedeutung, Menschenwürde und Menschenrechte als Bezugsrahmen persönlicher Verantwortung anzuerkennen.
    Doch die persönliche Haltung des Weltbürgertums stellt nur eine Form der Verwirklichung des Kosmopolitismus dar. Neben sie tritt die Idee eines organisatorischen Kosmopolitismus, wie sie vor allem in den Entwürfen einer Weltfriedensordnung Gestalt angenommen hat. Die Anerkennung eines Weltbürgerrechts, die republikanische Verfassung der Einzelstaaten sowie eine föderale Organisation der Staatengemeinschaft hat Immanuel Kant als die Grundelemente eines solchen organisatorischenKosmopolitismus hervorgehoben (Kant 1795). Der Völkerbund nach dem Ersten Weltkrieg sowie die während des Zweiten Weltkriegs vorbereitete Organisation der Vereinten Nationen (UNO) waren zwei groß angelegte Versuche, einem solchen organisatorischen Kosmopolitismus Gestalt zu verleihen.
    Neben den individuellen und den politischen Kosmopolitismus tritt die Idee eines zivilgesellschaftlichen Kosmopolitismus (vgl. Conradi 2011). Denn nicht nur Individuen und Staaten können eine weltbürgerliche Haltung repräsentieren. Sie gewinnt vielmehr vor allem in der Praxis gesellschaftlicher Akteure Gestalt. Globale Initiativen, die sich aus der ökumenischen Verbundenheit christlicher Kirchen ergeben, oder zivilgesellschaftliche Initiativen wurden als Beispiele dafür bereits erwähnt.
    Die einflussreichsten globalen Akteure sind aber Wirtschaftsunternehmen; deshalb muss ausdrücklich auch über einen wirtschaftlichen Kosmopolitismus gesprochen werden. Dass die wirtschaftlichen Akteure ihr Handeln nicht am größtmöglichen Profit orientieren, sondern sich auf die Anerkennung gleicher Menschenrechte in allen Kontinenten verpflichten und ihr Profitinteresse daran überprüfen, gehört zu den vorrangigen Postulaten einer weltbürgerlichen Ethik. Solche Überlegungen haben inzwischen in die internationale Normungsdebatte Eingang gefunden (vgl. Deutsches Institut für Normung 2011). Weitere öffentliche Debatten und praktische Anstrengungen sind jedoch notwendig, um dies in der praktischen Gestaltung der globalisierten Wirtschaft durchzusetzen.
Verantwortung lernen
    Die Entstehung von Werten verdankt sich nicht ausschließlich intellektuellen Klärungen, sondern hat oft mit erlittenem Unrecht und der Hoffnung auf dessen Überwindung zu tun. Auch die Fähigkeit zur Verantwortung entsteht nicht allein durch kognitive Lernprozesse, sondern ist auf Erfahrungen angewiesen. Familien, Jugendgruppen oder Sportvereine sind wichtige Orte, um Verantwortung zu lernen. Ihr Einfluss geht in der Mediengesellschaft zurück. Dadurch gewinnen Kindertageseinrichtungen und Schulen als Orte des Lernens von Verantwortung an Bedeutung; aber auch in der Aus- und Fortbildung für die Vorbereitungauf berufliche Führungsaufgaben kann die Vermittlung der Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, nicht hoch genug eingeschätzt werden.
    «Verantwortung lernen» ist inzwischen ein wichtiger Teil schulischer Curricula. Die Idee geht auf ein pädagogisches Projekt in den USA zurück, das «Service Learning». Eine Phase praktischen sozialen Engagements wird mit angemessener Vorbereitung und sorgfältiger Nacharbeit verbunden. Die unmittelbare Begegnung mit Menschen, die solidarischer Zuwendung bedürfen, wird durch Überlegungen vertieft, die auf dauerhaftes zivilgesellschaftliches Engagement und die Bereitschaft zu politischer Partizipation zielen. Das hat große Bedeutung für eine schulische Bildung, die sich an der Balance von Leistungs- und Lebensorientierung, von nachprüfbarem Wissen und Identitätsbildung, von Kulturtechniken und kultureller Verwurzelung ausrichtet. So können Schulen zur demokratischen Atmosphäre eines Landes beitragen und auf eine Lebensführung vorbereiten, die von der Verantwortung für andere Menschen und das Gelingen des gemeinsamen Lebens geprägt ist.
    Verantwortung im Beruf knüpft an die Einübung verantwortlichen Handelns in früheren Lebensphasen an. Für jede berufliche Praxis ist nicht nur Fachkompetenz, sondern auch soziale Kompetenz notwendig. Deshalb ist ethische Bildung im beruflichen Bereich, insbesondere für Führungskräfte, unerlässlich. Auch