Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
Standards für Journalisten bewegen sich zwischen der Meinungsfreiheit (Artikel 5 des Grundgesetzes), der Wahrheitspflicht und den Persönlichkeitsrechten derer, über die berichtet wird. Die Folgerungen aus diesen drei Eckpunkten lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: (1) Journalisten nehmen eine öffentliche Aufgabe wahr und sind deshalb in besonderer Weise auf das Gemeinwohl verpflichtet. (2) Nach innen wie nach außen haben sie ihre Unabhängigkeit zu wahren und sind dafür auf entsprechende Arbeitsbedingungen angewiesen. (3) Die Annahme und die Gewährung von Geschenken und anderen Vorteilen sind mit der journalistischen Unabhängigkeit unvereinbar.(4) Aus der Wahrheitspflicht ergibt sich insbesondere die Pflicht zur korrekten Beschaffung und sorgfältigen Wiedergabe von Informationen sowie zur Richtigstellung unzutreffender Mitteilungen. (5) Die Vertraulichkeit, das Berufsgeheimnis und das Zeugnisverweigerungsrecht sind zu wahren und zu achten. (6) Das Privatleben und die Intimsphäre sind zu respektieren. (7) Journalisten sind auf die Menschenrechte und die Wahrung des Friedens verpflichtet; das schließt die Verherrlichung von Gewalt, Brutalität und Unmoral aus. (8) Bei Veröffentlichungen in Wort und Bild ist das sittliche und religiöse Empfinden anderer zu achten. (9) Bei laufenden Ermittlungen und in schwebenden Gerichtsverfahren verbieten sich Vorverurteilungen (vgl. Teichert 2005: 817).
Diese Regeln einer journalistischen Ethik folgen den moralischen Maßstäben des Richtigen, das wir einander schulden. Doch journalistische Arbeit hat es darüber hinaus mit einer Ethik des Guten zu tun; sie geht von der Frage aus, warum jemand sich diesen Beruf zur Lebensaufgabe wählt und wofür er sich in diesem Beruf einsetzt. Aus einer solchen Perspektive ist nicht nur die Vereinbarkeit mit den Menschenrechten, sondern deren Förderung ein wichtiger Maßstab für die journalistische Arbeit. Journalisten, die aus Situationen materieller Not berichten und diese mit erkennbarer Empathie für die Notleidenden schildern, handeln oft aus einem Impuls der Nächstenliebe heraus. Die Aufmerksamkeit für demokratische Erneuerungsbewegungen oder die Suche nach Ansatzpunkten für friedliche Veränderungen können ebenso Schwerpunkte verantwortlicher journalistischer Recherche sein wie das Aufdecken von Machtkonzentration oder Machtmissbrauch in den Bereichen von Staat, Wirtschaft oder den Medien selbst.
Solche Maßstäbe für das Richtige und das Gute im journalistischen Handeln tragen eine große Evidenz in sich; sie müssen sich jedoch im Wandel der medialen Landschaft bewähren. In den rasanten Veränderungen, die unsere Zeit charakterisieren, kommt den Medien eine Schlüsselrolle zu. Medienethische Grundsätze stoßen deshalb heute auf starke Gegenkräfte. Diese hängen unter anderem mit dem wachsenden Interesse an bewegten Bildern zusammen. Die Funktion der Printmedien wurde im letzten halben Jahrhundert durch eine dreifache technologische Revolution relativiert. Zunächst breitete sich das Radio als Quelle von Information und Unterhaltung aus; hinzu traten andere Tonträger, die immer kleiner und damit im Einsatz flexibler wurden. Darauffolgte der weltweite Durchbruch des Fernsehens. Mit der Digitalisierung verband sich eine explosionsartige Vermehrung der Rundfunk- und Fernsehangebote; daraus ergab sich eine erhebliche Individualisierung des Radio- und Fernsehkonsums. Noch darüber hinaus reicht die Veränderung durch das Internet, das in vorher unbekannter Weise individuelle Kommunikation und Massenkommunikation miteinander verbindet. (Grethlein 2003: 22ff.).
Der Begriff der kognitiven Gesellschaft vereinfacht diesen gesellschaftlichen Wandel ungebührlich (Europäische Kommission 1995), denn mit der Fülle der verfügbaren Daten und der Flut der zu verarbeitenden Eindrücke wachsen nicht nur die kognitiven Anforderungen an die Einzelnen. In vergleichbarem Maß wächst der Orientierungsbedarf. Die zwischenmenschliche Kommunikation tritt als Quelle der Wirklichkeitserfahrung hinter der Bedeutung der Massenmedien zurück. Die gesellschaftliche Wirklichkeit wird medial konstruiert. «Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.» (Luhmann 2009: 9) Die in der Erziehung vermittelten Lebenshaltungen verlieren unter dem Einfluss der Medien an Prägekraft. Nicht mehr Kinderbücher, sondern die Medien wirken als heimliche Erzieher (vgl. Richter/Vogt
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